Nr. 81 | steine | Abstract

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Yektan Türkyılmaz

[ DEUTSCH | ENGLISH | Kurz-Bio]

»Die Sonne gefror am Himmel!«. Von den Schwierigkeiten der Genozidforschung unter den Bedingungen der Verleugnungsideologie

Der Artikel diskutiert die epistemologischen, ethischen und methodologischen Dilemmata und Trugschlüsse, die sich für die Genozidstudien aus den Bedingungen einer systematischen Verleugnungsideologie ergeben. Ich analysiere darin wissenschaftliche Untersuchungen der Katastrophen, die die Armenier*innen (1915–1917) und Dersimer*innen (1937–1938) ereilten – zwei Fallstudien, die seit Jahrzehnten von aggressiver Verleugnungsideologie betroffen sind. Dabei werden sie den narrativen Konstruktionen der Klagelieder des sayir (Dichter-Sänger Dersims) Weliyê Wuşenê Yimami gegenübergestellt. Die Analyse fokussiert hier besonders auf eines seiner Klagelieder, das Hewayê Derê Laçi. Es wird deutlich, dass es wissenschaftlichen Untersuchungen des Genozids an den Armenier*innen und der Massaker in Dersim, trotz der konzeptuellen, methodologischen und disziplinären Ressourcen der Genozidstudien, an dem Scharfsinn, der Differenziertheit und ethischen Integrität der Rekonstruktionen Weliyê Wuşenê Yimamis mangelt. Weliyê Wuşenê Yimamis Schilderungen des Traumas und der Viktimisierung gehen nämlich über die Dichotomien (Opfer vs. Täter, Heldentum vs. Verrat, ethnisch vs. religiös, Rebellion vs. Konformität) hinaus, die in den gegenwärtigen Untersuchungen des Völkermords an den Armenier*innen und in Dersim vorherrschen. Schließlich greife ich auf Yimamis Narrativ zurück, um methodologische und epistemologische Alternativen zu den Einschränkungen anzubieten, die die Verleugnungsideologie mit sich bringt.

[ ENGLISCH | DEUTSCH]

»The Sun Froze in the Sky«. The Difficulties of Studying a Genocide under Systematic Denialism

This article discusses the epistemological, ethical, and methodological predicaments and fallacies that arise in genocide studies under the hypnotizing and distracting pressures of systematic denialism. It analyzes scholarly accounts of the Armenian (1915–1917) and Dersim (1937–1938) catastrophes – two cases the study of which has been tainted for decades by aggressive denialism – and juxtaposes them with the narrative constructions in the laments recited by the sayir (poet minstrels in Dersim) Weliyê Wuşenê Yimami. Focusing on one of his laments, Hewayê Derê Laçi, I argue that despite the conceptual, meth­odological, and disciplinary resources of genocide studies, scholars’ analyses of the Armenian genocide and the Dersim massacres still lack the subtlety, sophistication, and ethical integrity of Weliyê Wuşenê Yimami’s reconstructions. I develop my argumentation here demonstrating how Weliyê Wuşenê Yima­mi’s account of trauma and victimization goes beyond the dichotomies (victim vs. perpetrator, heroism vs. betrayal, ethnic vs. religious, rebellion vs. compliance) prevalent in contemporary studies of the Arme­nian and Dersim genocides. Finally, I draw on Yimami’s narrative strategies to offer methodological and epistemological alternatives to eclipsing constraints of denialism.

Kurz-Bio: Yektan Türkyılmaz

promovierte an der Duke University/North Carolina in Kulturanthropo­logie. An dieser, sowie an den Universitäten Zypern, Sabanci, Bilgi und der California State University hat er zu Debatten über kollektive Gewalt, Erinnerungskultur und Versöhnung so­wie Politik der Musik gelehrt. Momentan bereitet er die Veröffentlichung seiner Dissertation »Rethinking Genocide: Violence and Victimhood in Eastern Anatolia, 1913–1915« vor, in welcher er den Konflikt in Ostanatolien im frühen 20. Jahrhundert und die damit einhergehenden Er­innerungspolitiken untersucht. Derzeit ist er EUME Fellow am Forum Transregionale Studien in Berlin.

E-Mail: yektan.turkyilmaz@gmail.com

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