Abschied von einer Verlegerpersönlichkeit – Zum Tod von Ludger Claßen
In einer Zeit, in der sich die Medien- und Verlagsbranche im Umbruch befindet, und durch vielfache Herausforderungen unter Druck geraten ist, sind Verlegerpersönlichkeiten wie Ludger Claßen, der am 30. Mai 2023 nach langer Krankheit in Essen gestorben ist, rar geworden.
Ludger Claßen hat den Klartext-Verlag in Essen aufgebaut und über drei Jahrzehnte geprägt, bevor er sich 2016 aus gesundheitlichen Gründen aus der Geschäftsführung zurückzog. Bei den zahllosen Publikationen, die in seiner Zeit entstanden, hatte er sowohl gesellschaftliche und wissenschaftliche Debatten als auch den langen Transformationsprozess des Ruhrgebiets mit seinen Auswirkungen auf Arbeitswelt und Alltagskultur im Blick.
Die Wege mit WERKSTATTGESCHICHTE kreuzten sich, als der Verein für kritische Geschichtsschreibung als Träger der Zeitschrift nach dem Ende der Zusammenarbeit mit dem Ergebnisse-Verlag 2003 eine neue Heimat suchte. Der Hamburger Verlag, der das Projekt bis dahin mit großem persönlichen Engagement getragen hatte, konnte die Fortführung aufgrund seiner begrenzten Kapazitäten nicht mehr gewährleisten.
Nach ersten Gesprächen zeigte sich Ludger Claßen schnell bereit, die einst aus der Geschichtswerkstättenbewegung hervorgegangene Zeitschrift in das Programm des Klartext-Verlags aufzunehmen. 2004 erschien mit der 36. Ausgabe das erste Heft im Klartext-Verlag. Am Ende des Editorials schildert der Verlag seine Motive für die Zusammenarbeit und die gemeinsamen Wurzeln, denn auch bei der Gründung des Klartext-Verlags spielten die sogenannten Barfußhistoriker:innen, der Blick einer Geschichte von unten und die Idee einer Gegenöffentlichkeit eine prägende Rolle.
Finanzielle Motive waren bei einer kleinen Spartenzeitschrift wie WERKSTATTGESCHICHTE gewiss nicht ausschlaggebend, vielmehr die Überzeugung, dass die Unterstützung auch solcher Zeitschriften und der darin geführten Debatten zu einem vielfältigen Verlagsprogramm gehört. 15 Jahre dauerte die erfolgreiche Zusammenarbeit mit dem Klartext-Verlag, bis es 2019 erneut zu einem Verlagswechsel kam. Seit 2020 erscheint WERKSTATTGESCHICHTE im Transcript-Verlag, der das Zeitschriftenprojekt ebenfalls mit viel Engagement begleitet.
Ludger Claßen hat in den Jahren der Zusammenarbeit immer wieder Offenheit für Veränderungen und neue Impulse gezeigt. So konnte WERKSTATTGESCHICHTE in Zusammenarbeit mit dem Verlag 2009 als eine der ersten deutschen Geschichtszeitschriften ihr Heftarchiv digitalisieren und kostenfrei online zur Verfügung stellen. Auch bei der Initiierung des 2012 erstmals ausgeschriebenen Essaywettbewerbs von WERKSTATTGESCHICHTE unterstützte Ludger Claßen das Vorhaben.
Der Verein für kritische Geschichtsschreibung nimmt in dankbarer Erinnerung Abschied von Ludger Claßen und einem engagierten Verleger, bei dem der Blick über den eigenen Tellerrand Programm war.