Nr. 88 | reden über geld | Abstract

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Jan-Henrik Friedrichs

[ DEUTSCH | ENGLISH | Kurz-Bio]

»Wir waren so wütend und hilflos.« Emotionsgeschichtliche Zugänge zu den Berufsverboten für linke Lehrkräfte in den 1970er Jahren

Aufgrund des sogenannten Radikalenerlasses von 1972 wurde einigen Tausend kommunistischen Bewerber*innen für den öffentlichen Dienst die dauerhafte Einstellung verweigert; die meisten Betroffenen gab es im Schuldienst. Der Beitrag geht der Frage nach, warum sich Menschen, auch über den Kreis der (potenziell) Betroffenen hinaus, vom Radikalenbeschluss in einem solchen Maß herausgefordert fühlten, dass sie gegen diesen protestierten und sich mit vermeintlichen »Extremisten« solidarisierten. »Berufsverbote« gegen Lehrer*innen erscheinen so nicht als lediglich individuelle verwaltungsrechtliche Verfahren, sondern als Maßnahmen, die weiterreichende Effekte auf das schulische Umfeld hatten. Ausgehend von archivarischen Quellen und Zeitzeugengesprächen wird deutlich, dass Emotionen wie Enttäuschung und Empörung für den Protest von Kolleg*innen, Schüler*innen und Eltern ausschlaggebend waren. Zugleich zeigt sich, dass es sich hierbei nicht allein um einen explizit politisch begründeten »Kampf um demokratische Rechte« handelte, sondern um einen Konflikt zwischen staatlichen Kontrollversuchen und gestiegenen Partizipationsansprüchen im Bildungsbereich.

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[ ENGLISCH | DEUTSCH]

»We felt so angry and helpless.« A history of emotions approach to Berufsverbote for left-wing teachers in the 1970s

Due to the so-called Radikalenerlass (Decree against Radicals) of 1972, several thousand communist applicants for the civil service were denied permanent employment; most of those affected were schoolteachers. The article explores the question of why people, even beyond the circle of those (potentially) affected, felt challenged by the decree to such an extent that they protested against it and showed solidarity with supposed »extremists«. So-called Berufsverbote against teachers thus appear not as merely individual administrative procedures, but as measures that had broader effects on the school environment. Based on archival sources and biographical interviews, it becomes clear that emotions such as disappointment and indignation were decisive for the protest of colleagues, students, and parents. At the same time, it also becomes clear that this was not just a matter of an explicitly politically motivated »struggle for democratic rights«, but also a conflict between attempts to assert state control and increased demands for participation in education.

Kurz-Bio: Jan-Henrik Friedrichs

Jan-Henrik Friedrichs ist Historiker und lebt in Berlin. Zu seinen Forschungsschwerpunkten zählen die Kulturgeschichte Westeuropas nach 1968, Jugend- und Bewegungsgeschichte sowie die Geschichte der Geschlechter und Sexualitäten.
E-Mail: jhfriedrichs@posteo.de

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