Julia Gebke
Achselschweiß und Ohrenschmalz. Medizin und Anthropologie zu Beginn des 20. Jahrhunderts
Die Frage, inwieweit sich Differenzen mit Blick auf ethnische oder auch geschlechtliche Zugehörigkeit am Körpergeruch festmachen lassen, beschäftigt bis heute u.a. die medizinische und biochemische Forschung. 2010 erhielten solche Fragestellungen Aufwind durch die Entdeckungen im Hinblick auf das Gen ABCC11. Forschungen zu Differenzen im Geruch von Achselschweiß und der Konsistenz von Ohrenschmalz, die zu Beginn des 20. Jahrhunderts im Zuge »rassenphysiologischer« Untersuchungen durchgeführt worden waren, fanden somit ihr lange gesuchtes Fundament in einem genetischen Nachweis.
Spezifische Forschungsrichtungen sind immer auch Kinder ihrer Zeit. Vor diesem Hintergrund frage ich, welche Prägungen, z.B. kulturelle und akademische Sozialisation, in den wissenschaftlichen Texten des 20. Jahrhunderts erfahrbar werden, die in Bonn, Moskau und Tokio entstanden. Dabei geht es mir sowohl um die transnationalen Verflechtungen als auch um die jeweiligen Eigenheiten, die sich in den unterschiedlich ausgerichteten »rassenphysiologischen« Untersuchungen offenbaren.
Axillary Perspiration and Cerumen. Medicine and Anthropology at the Beginning of the Twentieth Century
To this day, medical, biochemical and other scientists are concerned with the question whether differences of sex or ethnicity correspond to differences in body odor. In 2010, a discovery in the gene ABCC11 reinforced such considerations and once again drew the attention to the nexus between axillary perspiration and cerumen. This way, research from the early twentieth century imbedded in the ideological framework of »race medicine« found its disputable verification by modern genetics. Specific areas of research always reflect their own time and space. Keeping this firmly in mind, the essay tackles the question of which environmental conditioning, e.g., cultural and academic socialization, can be traced in scientific texts dating back to the beginning of the twentieth century and written in Bonn, Moscow, and Tokyo. This way, the essay aims to reveal both the transnational entanglements and the specific peculiarities and biases of this research.
Kurz-Bio: Julia Gebke
Julia Gebke hat seit 2021 eine Elise-Richter-Stelle, gefördert durch den österreichischen Wissenschaftsfonds FWF, an der Österreichischen Akademie der Wissenschaften in Wien inne. Sie leitet das Projekt »Chess(wo)men’s Agency? Habsburg Women in Early Modern Dynastic Politics and Diplomacy«, das nach den politischen und diplomatischen Handlungsspielräumen der Habsburger Fürstinnen im 16. Jahrhundert fragt. Ihre Forschungsschwerpunkte verlaufen an der Schnittstelle der Körper- und Geschlechtergeschichte und reichen von der Kulturgeschichte des Politischen bis hin zu der Wissenschaftsgeschichte und den DisAbility Studies.
E-Mail: Julia.Gebke@oeaw.ac.at