Nr. 85 | müll | Abstract

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Sven Bergmann und Philipp Grassel

[ DEUTSCH | ENGLISH | Kurz-Bio]

Mikroplastik und TNT. Unterschiedliche Regime der Problematisierung von Meeresmüll

Die Entsorgung oder Ansammlung von Abfall und Altlasten im Meer – auch wenn diese zum Teil Jahrzehnte zurückliegt – stellt heute ein ernsthaftes Umweltproblem dar. Auf dem Meeresboden liegt noch immer gesunkene oder verklappte Munition aus den Weltkriegen. In den letzten Jahren hat überdies Plastik im Ozean große Aufmerksamkeit erregt. Kunststoffe fragmentieren im Meer zu Mikroplastik, das sich mit marinen Ökosystemen verflechtet und andere Chemikalien transportiert. Die Kontamination der Meeresumwelt durch die Einträge von Schadstoffen geschieht dabei eher schleichend und langsam, ihre Auswirkungen sind unbestimmt und noch wenig erforscht.
Beide im Beitrag diskutierten Objekte (Mikroplastik und Munition im Meer) zeichnen sich durch eine spezifische Persistenz, Zeitlichkeit und Beziehung zur Meeresumwelt aus. Im Vergleich der beiden Arten von Meeresmüll zeigt sich aber eine sehr unterschiedliche Art ihrer Problematisierung. Während Munitionsmüll bisher weniger Öffentlichkeit erfährt, war seine Existenz jahrzehntelang bekannt und wurde verwaltet. Demgegenüber ist die aktuelle Problematisierung von Plastikmüll moralisch aufgeladen und individualisiert: als Frage von Konsumentscheidungen, nicht der Produktionsweise.

[ ENGLISCH | DEUTSCH]

Microplastics and TNT. Different regimes of problematisation of marine litter

Marine pollution caused by the disposal or accumulation of waste and toxic substances is a serious environmental problem. Munition from the world wars, lost in action or dumped deliberately, still lies on the sea floor. In recent years, moreover, plastics in the ocean have attracted considerable attention. Tiny fragments or »microplastics« insinuate themselves into marine ecosystems, being harmful in themselves as well as transporting other chemicals. The contamination of the marine environment by pollutants is a gradual and slow process, and its effects are not yet fully understood or predictable. Both microplastics and underwater munitions are characterised by a specific persistence, temporality and interaction to the marine environment. However, a comparison of the two types of marine debris reveals a very different way of problematising them. While war remnants have received less publicity, their existence has been known and managed for decades. In contrast, the current problematisation of plastic waste is morally charged and individualised, being framed as a question of consumer choice rather than production.

Kurz-Bio: Sven Bergmann und Philipp Grassel

Sven Bergmann ist Kulturanthropologe und forscht am Deutschen Schifffahrtsmuseum – Leibniz-Institut für Maritime Geschichte in Bremerhaven. Er ist Koordinator des EU-Forschungsprojekts North Sea Wrecks, das die Folgen militärischer Altlasten für die Meeresumwelt untersucht. Seine Forschungsinteressen liegen im Bereich der Politischen Ökologie, der Feminist Technoscience und der Discard Studies.
E-Mail: bergmann@dsm.museum

Philipp Grassel ist Maritimer Archäologe und Forschungstaucher. Sein Forschungsinteresse gilt der Unterwasserarchäologie, versunkenen Landschaften, der Seefahrtsgeschichte und der Historischen Archäologie. Er ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Deutschen Schifffahrts- museum – Leibniz-Institut für Maritime Geschichte in Bremerhaven und beschäftigt sich im EU-Forschungsprojekt North Sea Wrecks mit den Folgen militärischer Altlasten für die Meeresumwelt. Weiterhin leitet er ein Arbeitspaket in dem britisch-deutschen Forschungsprojekt Looking In From The Edge (LIFTE): The impact of international commercialization on north-west Europe’s peripheral communities 1468-1712, das die frühneuzeitlichen Handelsbeziehungen Kontinentaleuropas mit den Orkney- und Shetland-Inseln erforscht.
E-Mail: Grassel@dsm.museum

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