Nr. 81 | steine | Abstract

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Sebastian Schlinkheider

[ DEUTSCH | ENGLISH | Kurz-Bio]

Die Relativität der Welt. Über die Potenziale der Geschichtswissenschaft im »postfaktischen Zeitalter«

In jüngerer Zeit sind die Forderungen nach einer Verteidigung wissenschaftlicher Wahrheit wieder lauter vernehmbar. Doch stellt sich einerseits die Frage nach der Wahrheitsfähigkeit der Disziplinen überhaupt und andererseits nach der Angemessenheit ihrer gesellschaftlichen Einmischung. Die Geschichtswissenschaft basiert auf einem relativen Wissensbegriff: In den historischen Interpretationen sind Erkenntnissubjekte und Erkenntnisobjekte methodologisch nicht zu trennen, sondern miteinander verwoben. Das gesellschaftliche Bedürfnis nach der eindeutigen »historischen Wahrheit« ist deshalb nicht erfüllbar, es basiert auf einem zu simplen Wahrheitsverständnis sowie einem verzerrten Bild von (natur-)wissenschaftlicher Forschung in der öffentlichen Wissenschaftskultur. Die Geschichtsforschung täte gut daran, der Öffentlichkeit im Schulterschluss mit den modernen Naturwissenschaften nicht nur Forschungsergebnisse, sondern auch ihre Erkenntniswege anschaulicher zu vermitteln. So könnten die Disziplinen effektiv den gegenwärtigen »postfaktischen« Herausforderungen begegnen, die Relevanz der Geisteswissenschaften neu begründen und nicht zuletzt weitere kreative Vermittlungsfelder eröffnen.

[ ENGLISCH | DEUTSCH]

The Relativity of the World. On the Potentials of History in the Post-Factual Age

Recently, voices have once again been raised in defense of truth, especially referring to the knowledge provided by sciences and humanities. However, it is disputable, on the one hand, whether the academic disciplines are capable of discovering and generating »true« knowledge and, on the other hand, to what extent their contributions to and their involvement in public debates are appropriate. The discipline of history assumes a relative concept of knowledge; in the methodology of historical interpretation, the subjects and the objects of knowledge are inseparable. Therefore, historical research cannot fulfill the social need for unambiguous »historical truth«, which is based on a too simple and distorted public understanding of truth and scientific research. Instead of merely conveying the results of research, scholars of history and humanities as well as natural scientists would do well to work together to outline and explain the pathways to knowledge vividly to the public. This would enable both humanities and sciences to meet the present so-called »post-factual« challenges, re-establish the social relevance of the humanities including the discipline of history, and, not least of all, enable new possibilities of creative transfer of knowledge.

Kurz-Bio: Sebastian Schlinkheider

ist Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl für Geschichte der Frühen Neuzeit der Universität zu Köln. Derzeit arbeitet er an einem Promotionsprojekt zur Rolle des Sammlers Ferdinand Franz Wallraf (1748–1824) in der Geschichtskultur der Stadt Köln; Forschungsinteressen: u. a. Geschichtstheorie, öffentliche Geschichte und Stadtgeschichte.

E-Mail: sebastian.schlinkheider@uni-koeln.de

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