Rebekka von Mallinckrodt
»Man entsage dem Betruge der misgeleiteten Vernunft; […] so wird man sehen, daß man schwimmen kann.« – Schwimmpraktiken und -debatten im 18. Jahrhundert
Der Beitrag befasst sich mit Praktiken und Debatten zum Schwimmen im Europa des späten 18. Jahrhunderts. Im Gegensatz zur in der neueren Geschichtsschreibung vorherrschenden Sichtweise, die immer noch vom Gründungsmythos der Aufklärung als einer Zeit des Aufbruchs geprägt ist, wird hier die »Erfindung« des bürgerlichen Schwimmens in Abgrenzung zu bereits bestehenden Praktiken und nicht als etwas völlig Neues betrachtet. Zeitgenössische Debatten offenbaren tiefe Zweifel an der menschlichen Fähigkeit zu schwimmen, was zur Konstruktion von Schwimmmaschinen als Alternative zum Selbstschwimmen führte. Es gab also unterschiedliche und sogar konkurrierende »fortschrittliche« Formen des Umgangs mit den Gefahren des Wassers. Die Diskussionen um die Gründung der ersten europäischen Schwimmschule in Paris 1784 schließlich zeigen Interessen und Konflikte, die sich mehr um verkehrstechnische, militärische und ökonomische, aber weniger um hygienische und medizinische Fragen drehten, die in der historischen Forschung bisher im Vordergrund standen.
»Man entsage dem Betruge der misgeleiteten Vernunft; […] so wird man sehen, daß man schwimmen kann.« – Schwimmpraktiken und -debatten im 18. Jahrhundert
This article deals with practices of and debates on swimming in late 18th century Europe. In contrast to the dominant view in recent historiography, which is still informed by the foundation myth of the Enlightment as a period of new departures, here the »invention« of bourgeois swimming is perceived in distinction from already existing practices rather than as something entirely new. Contemporary debates show a deep doubt about the human ability to swim that led towards the construction of swimming machines as an alternative to swimming by oneself. Therefore, there were different and even competing »progressive« ways of dealing with the dangers of water. Finally, discussions about the establishment of the first European swimming school in Paris in 1784 demonstrate interests and conflicts that revolved around issues of traffi c, the military and the economy rather than focussing on hygienic and medical questions that have taken center stage in historical research so far.
Kurz-Bio: Rebekka von Mallinckrodt
Junior-Professorin am Friedrich-Meinecke-Institut, FU Berlin.
e-Mail: rvm@zedat.fu-berlin.de