Andrea Griesebner
Verbannung statt Todesstrafe? Diebstahlsprozesse aus dem Erzherzogtum Österreich unter der Enns im 18. Jahrhundert
Der Beitrag untersucht alle Diebstahlsprozesse, die vor dem im heutigen Niederösterreich gelegenen landesfürstlichen Landgericht Perchtoldsdorf im 18. Jahrhundert verhandelt wurden. Eingeleitet wird er mit einer Analyse der Landgerichtsordnung von 1656, welche die Kontexte definierte, in denen Diebstahl landgerichtlich verfolgbar war. Nach einem Einblick, wie Malefizprozesse in der Gerichtspraxis abliefen, werden die Diebstahlsprozesse rekonstruiert. Das Augenmerk gilt vor allem der Frage, was konkret die Frauen, Männer und Kinder gestohlen hatten und wie ihre landgerichtliche Verurteilung legitimiert wurde. In der Detailanalyse wird sichtbar, dass das Landgericht vorwiegend ortsfremde Mägde und Knechte verurteilte, die von ortsansässigen Personen angezeigt worden waren. Der Vergleich mit den wenigen “einheimischen” DelinquentInnen zeigt, dass nicht nur die Bestohlenen, sondern auch die Gerichtsmitglieder „fremden“ DiebInnen mit wenig Nachsicht begegneten. Gemeinsames Kennzeichen aller Verurteilungen ist, dass weder Todesstrafen noch lange Haft- oder Arbeitsstrafen ausgesprochen wurden. „Fremde“ DiebInnen wurden aus dem Landgerichtsbezirk bzw. aus den Erblanden verbannt.
Banishment instead of Death Penalty? Criminal Trials dealing with Theft from the Archduchy Erzherzogtum Österreich unter der Enns in the 18th Century
The article examines the court records of 18th century criminal trials dealing with theft in a district law court, situated in the archduchy Erzherzogtum Österreich unter der Enns (modern-day Lower Austria). It starts with an analysis of the criminal code of 1656, which provided a framework for defining and assessing theft as a capital crime. After giving a brief overview of the court proceedings, the article reconstructs the theft trials. It concentrates on the question of what kinds of theft the women, men, and children had commited, and how the prosecution of these thefts as capital offenses was legitimated. Close reading reveals that the district law court predominantly sentenced non-local servants who were reported by local people. The comparison to the few local delinquents clearly shows that neither the local victims nor the court members showed any leniency towards non-local thieves. A Common feature of all sentences is that the thieves faced neither the death penalty nor long imprisonment or public labor. Instead, non-local thieves were banished either from the district or from the inner Habsburg territories.
Kurz-Bio: Andrea Griesebner
Historikerin, Ao. Univ. Professorin für Neuere Geschichte am Institut für Geschichte der Universität Wien
E-Mail: andrea.giesebner@univie.ac.at