Uffa Jensen
Getrennt streiten – getrennt leben? Der doppelte Streit um Heinrich von Treitschkes Antisemitismus unter gebildeten Bürgern (1879-1881)
Der Aufsatz liefert eine Neubetrachtung des so genannten »Berliner Antisemitismusstreites«, wobei es die Ausgangsthese darstellt, dass es einen solchen Streit nicht gegeben hat. Als der Berliner Historiker im November 1879 die deutschen Juden frontal angriff, waren die Folgen zwei deutlich zu unterscheidende Streitphasen: Zuerst stritt sich bis zum Februar 1880 Treitschke mit gebildeten Juden, dann ein halbes Jahr später Treitschke mit gebildeten Protestanten, vor allem dem Althistoriker Theodor Mommsen. In einer detaillierten Analyse der Streitstruktur erweist sich, dass sich 1880 im Verhältnis zwischen gebildeten Juden und Protestanten eine Disposition zum Antisemitismus etabliert hatte, die im einzelnen aus einer Wahrnehmungsspirale, einem kommunikativen Gefälle und einer Interaktionsdistanz bestand.
Separate Quarrels – Separate Lives? The Dual Controversy about Heinrich von Treitschke’s Anti-Semitism in the Educated Bürgertum (1879-1881)
The essay tries to reconsider the controversies that the Berlin historian Heinrich von Treitschke inaugurated in 1879 when he attacked German Jews and embraced the anti-Semitic movement. A detailed analysis of the structure of the following two distinct debates will demonstrate that Treitschke first had to argue with educated Jews. Only after a break of half a year a new controversy erupted, this time among educated Protestants. The essay tries to show that with these debates a fundamental disposition for anti-Semitism was established which called the relations of educated Jews and Protestants into question.
Kurz-Bio: Uffa Jensen
Historiker, DAAD-Fachlektor für Geschichte an der University of
Sussex, Brighton (GB).
E-Mail: u.jensen@sussex.ac.uk