Nr. 91 | körpermaße | Abstract

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Cornelia Aust

[ DEUTSCH | ENGLISH | Kurz-Bio]

Diebische Körper? Auswahl und Deutung von Körpermerkmalen in Gauner- und Diebeslisten des 18. und frühen 19. Jahrhunderts

In diesem Beitrag untersuche ich Diebes- und Gaunerlisten des 18. und frühen 19. Jahrhunderts dahingehend, wie Körper in diesen Kompilationen aus Personenbeschreibungen und Darstellungen zeitgenössischer Verbrechen und Diebesbanden beschrieben werden. Dabei geht es vor allem darum, welche Wissensbestände, z.B. die Humoralpathologie, solchen Beschreibungen zugrunde liegen und welche Praktiken des Vergleichens genutzt werden. Es zeigt sich, dass die Beschreibungen meist auf individueller Ebene erfolgen, die Konstruktion von Gruppen über körperliche Merkmale (wie die Körperfarbe) lässt sich bei sogenannten »Zigeunern« beobachten, während Juden und Jüdinnen noch nicht im selben Maße als Gruppe mit übereinstimmenden Merkmalen beschrieben werden. Auffällig ist aus vergleichstheoretischer Sicht vor allem die Verschiebung der Vergleichshinsichten, weg von Körperfarben- und formen, hin zu Details des Schädels und messbaren Körpermerkmalen. Dies geht einher mit einer Verschiebung von Theorien der Humoralpathologie zu den als modern verstandenen Naturwissenschaften, besonders der Anatomie.

[ ENGLISCH | DEUTSCH]

Thieving Bodies? The Selection and Interpretation of Physical Features in Eighteenth and Early Nineteenth-Century Lists of Thieves and Villains

In this article, I examine lists of thieves and villains from the eighteenth and early nineteenth centuries with regard to the description of bodies in these compilations of personal descriptions and depictions of contemporary crimes and gangs of thieves. The main focus here is on what bodies of knowledge, e.g. humoral theory, underlie such descriptions and what practices of comparing the actors involved use. I show that the descriptions are primarily made on an individual level; the construction of groups via physical characteristics (such as complexion) can be observed above all with so-called ›gypsies,‹ while Jews, for example, are not yet described as a group with shared traits to the same extent. From the perspective of practices of comparing, the shift in descriptions and the underlying comparisons away from general descriptions of the body in terms of color and shape towards details of the skull and measurable physical characteristics is particularly striking. This goes hand in hand with a shift from humoral theory to what are considered modern sciences, especially anatomy.

Kurz-Bio: Cornelia Aust

Cornelia Aust ist Historikerin mit einem Schwerpunkt in der jüdischen Geschichte der Frühen Neuzeit in Mittel- und Ostmitteleuropa. Sie hat zu den Netzwerken jüdischer Kaufleute zwischen Amsterdam und Warschau an der University of Pennsylvania promoviert (2010). Danach war sie Postdoktorandin der Martin Buber Society of Fellows an der Hebräischen Universität in Jerusalem (2010–2013), wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Europäische Geschichte in Mainz (2013–2018) und an der Universität Bielefeld u.a. im SFB 1288 »Praktiken des Vergleichens« (2018–2024). Zurzeit vertritt sie die Professur für Jüdische Studien an der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf. Ihre Habilitation (2024) beschäftigt sich mit jüdischer Kleidung als Marker von Differenz und Ordnungsinstrument in der Frühen Neuzeit.

E-Mail: cornelia.aust@uni-bielefeld.de

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