Nr. 80 | politische gefangene | Abstract

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Maximilian Buschmann

[ DEUTSCH | ENGLISH | Kurz-Bio]

„Freiheit oder Hungertod“. Hungerstreiks als Protestform politischer Gefangener in der frühen Weimarer Republik

Der Beitrag untersucht Hungerstreiks als politische Praxis von radikallinken Gefangenen in den turbulenten Jahren der frühen Weimarer Republik. Mit Hungerstreiks u.a. in den Haftanstalten in Werl, Niederschönenfeld und Lichtenburg wurden die Zustände in den Gefängnissen und das Justizwesen kritisiert und dabei mithin die Republik als Ganzes infrage gestellt. Die Extremsituation des Hungerstreiks erfuhr ihre politische Wirkung dabei insbesondere durch ihre symbolische Dimension als Zeichen für einen scheinbar unbezwingbaren Widerstand. Denn in Parlamentsdebatten, Zeitungsartikeln und autobiographischen Schriften wurde diese Praxis als ein Akt der Selbstdisziplin präsentiert, um trotz Inhaftierung Subjekt über den Hunger, den eigenen Körper und nicht zuletzt die politische Auseinandersetzung zu werden. Der Beitrag argumentiert, dass sich in den Hungerstreiks so ein Denken und Handeln im Ausnahmezustand fortschrieb, welches sich mit Schutzhaft und Belagerungszustand im Nachklang des Ersten Weltkriegs und mit der Gewalt in Revolution und Reaktion bahnbrach. Politische Gefangene vollführten mit Hungerstreiks am eigenen Körper, was sie politisch aufzeigen und skandalisieren wollten.

[ ENGLISCH | DEUTSCH]

“Freedom or Starvation”. Hunger strikes as a form of protest among political prisoners in the early Weimar Republic

The article examines hunger strikes as a form of political practice among radical leftist prisoners in the turbulent years of the early Weimar Republic. Hunger strikes which were staged in the prisons in Werl, Niederschönenfeld, and Lichtenburg, among others, served to criticize the conditions in the prisons as well as the justice system, consequently calling into question the Republic as a whole. The extreme situation of the hunger strike gained political impact particularly through its symbolic dimension as a sign of seemingly indomitable resistance. This was due to the fact that in parliamentary debates, newspaper articles, and autobiographical writings, this practice was portrayed as an act of self-discipline with the goal of remaining the subject over hunger, the individual bodily existence, and, not least, the political debate, incarceration notwithstanding. The contribution argues that in this way, hunger strikes perpetuated the state of emergency of thought and action which became rampant through “protective custody” and state of siege in the aftermath of World War I as well as through the violence of revolution and reaction. Through their hunger strikes, political prisoners used their own bodies to pointedly display the very things they aimed to bring into public view and criticize politically.

Kurz-Bio: Maximilian Buschmann

ist Doktorand und wissenschaftlicher Mitarbeiter im Fachbereich Neueste Geschichte und Zeitgeschichte an der Ludwig-Maximilians-Universität München. Zurzeit forscht er im Rahmen eines von der DFG geförderten Projekts zur transnationalen Geschichte von Hungerstreik und Zwangsernährung im 20. Jahrhundert.

E-Mail: max.buschmann@lmu.de

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