J. Olaf Kleist
Narrative eines Einwanderungslandes: Zeugen der Migration in australischen Museen
Die Musealisierung der Migration in Australien thematisiert ein zentrales Selbstverständnis dieses Einwanderungslandes. Dabei ergibt sich die Herausforderung, Widersprüchlichkeiten einer Migrationsgesellschaft, zwischen Transnationalität und nationaler Geschichte, zwischen Vielfalt und Einheit, in einem kohärenten Narrativ darzustellen. Eine Möglichkeit diese Spannung in Ausstellungen zu überbrücken, ist die Präsentation von Zeugen der Migration. Mit Verweis auf persönliche Erfahrungen von Migranten kuratieren Museen spezifische Modelle von der Einwanderungsgesellschaft aber konstruieren auch bestimmte Bilder von den Migranten selbst. Ich diskutiere dies am Beispiel von drei Darstellungen von Zeugen der Migration als ‚kollektive Zeugen’, als ‚exemplarische Zeugen’ und als ‚Massenzeugenschaft’. Dabei untersuche ich diverse relevante Museen und angebundene Installationen, einschließlich des Migration Museum of South Australia, das Immigration Museum in Melbourne und sogenannter Welcome Walls. Schließlich argumentiere ich, dass migrantische Zeugenschaft zwar verschiedentlich konstruiert ist, mit spezifischen Implikationen für die Präsentation von Migration, aber auch zentral ist für die Darstellung einer Einwanderungsgesellschaft. Insofern lassen sich aus den Erfahrungen mit der Darstellung von Zeugen der Migration in australischen Migrationsausstellungen auch Lehren für den musealen Umgang mit Migration in Europa ableiten.
Narratives of an Immigration Country: Witnesses of Migration in Australian Museums
The representation of migration in Australian museums broaches a central issue of the immigration country’s self-perception. It poses the challenge to depict contradictions of a migration society, between transnationality and national history, between diversity and unity, as a coherent unity. One option to bridge this tension in exhibitions is the presentation of witnesses of migration. In reference to personal experiences of migrants, museums curate specific models of the immigration society as well as construct particular images of these migrants. I discuss this along three examples of presenting witnesses of migration, as ‘collective witnesses’, as ‘exemplar witnesses’ and as ‘mass witnessing’. I do so by analysing several relevant museums and related installations, including the Migration Museum South Australia, the Immigration Museum in Melbourne and so-called Welcome Walls. Finally, I argue that migrant witnessing is variously constructed, with specific implications for the perception of migration, but that it is also central for the representation of immigration societies. Insofar, lessons may be drawn from experiences with the presentation of witnesses of migration in Australian migration exhibitions that may be helpful for the treatment of migration in European museums.
Kurz-Bio: J. Olaf Kleist
J. Olaf Kleist ist Politikwissenschaftler und Postdoc am Institut für Migrationsforschung und Interkulturelle Studien, Universität Osnabrück mit dem Arbeitsschwerpunkt Flüchtlingsforschung. Er promovierte über das Verhältnis von Erinnerungs- und Migrationspolitik in Australien und ist Mitherausgeber des Sammelbandes History, Memory and Migration. Perceptions of the Past and the Politics of Incorporation (Palgrave 2012).
E-Mail: j.olaf.kleist@outlook.com