Nr. 55 | feindschaft | Abstract

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Geoff Eley

[ DEUTSCH | ENGLISH | Kurz-Bio]

Deutschland und seine Kolonien: Peripherien und Metropole

In den letzten zehn bis fünfzehn Jahren wurde die Geschichte des deutschen Kolonialismus völlig umgeschrieben. Während früher einhellig die Bedeutungslosigkeit und Randständigkeit der überseeischen Kolonien (sei es hinsichtlich ihrer Größe, ihrer Profitabilität oder ihrer Dauerhaftigkeit) betont wurde, ist heute klar, dass der Kolonialismus umfassende Auswirkungen auf die deutsche Gesellschaft, Politik und Kultur hatte. Dieser Grundannahme sind alle hier rezensierten Arbeiten verpflichtet, von der allgemeinen Geschichte Graichens und Gründers über die verschiedenen Sammelwerke (van der Heyden und Zeller, Honold und Scherpe, Mazón und Steingröver) zu den großen Arbeiten, wie sie Steinmetz, Sobich und Conrad vorgelegt haben. Mit der Betonung der komplexen, von Kolonie zu Kolonie verschiedenen Eigenheiten der deutschen Herangehensweise an koloniale Herrschaft; mit der Frage nach den Auswirkungen einer besonderen kolonialen Krise (des Genozids an den Völkern der Ovaherero und Nama im Jahr 1904) auf die Durchführung der Wahlen im Dezember 1906 und Januar 1907; und mit dem Hinweis darauf, wie sich Vorstellungen von der Nation und nationaler Identität im wilhelminischen Deutschland unter dem Einfluss der Globalisierung veränderten, leisten die drei letztgenannten Autoren jeweils einen Beitrag dazu, den Standard für zukünftige Untersuchungen dieses Forschungsfeldes zu definieren. Der deutsche Kolonialismus im engeren Sinne (als territoriale Annexion, die zu direkter Herrschaft führt) ist im Zusammenhang sehr viel umfassenderer Prozesse des deutschen Expansionismus vor 1914 zu sehen. Conrad trägt diese Argumentation besonders überzeugend vor.

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Germany and its Colonies: Margins and Metropole

During the past ten to fifteen years, the history of German colonialism has been dramatically recast. From an earlier consensus that stressed the insignificance and marginality of the overseas colonies (whether by size, profitability, or duration), we have moved to a new one that sees the pervasiveness of the effects of colonialism inside German society, politics, and culture instead. This underlying assumption strongly characterizes each of the works under review, from the general history by Graichen and Gründer and the several compilations (van der Heyden and Zeller, Honold and Scherpe, Mazón and Steingröver) to the major works by Steinmetz, Sobich, and Conrad. By emphasizing the complex variations, colony by colony, in the German approach to colonial rule, by examining the impact of a particular colonial crisis (the 1904 genocide of the Ovaherero and Nama peoples) on the conduct of the elections of December 1906 – January 1907, and by showing how globalization reshaped German nationhood in the Wilhelmine era, the three latter authors help set a new standard for studying this subject in the future. German colonialism in the narrower sense (territorial annexations leading to direct rule) is recontextualized in relation to much larger processes of German expansionism before 1914. Conrad makes this argument to particularly compelling effect.

Kurz-Bio: Geoff Eley

Professor für Geschichte und German Studies an der University of Michigan.
E-Mail: ghe@umich.edu

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