Rüdiger Ritter
Kulturaustausch am Kneipentresen. Zu Prozessen der Amerikanisierung in Bremerhaven in den ersten beiden Nachkriegsjahrzehnten
Bremerhaven diente den amerikanischen Streitkräften nach dem Zweiten Weltkrieg unter der Bezeichnung Port of Embarkation als Nachschubhafen für die in Europa stationierten Truppen. Auch nach dem Abzug der Militärregierungen im Jahr 1949 blieb Bremerhaven bis zum Ende des Kalten Krieges US-Stationierungsort. Die bereits vor dem Zweiten Weltkrieg existierende hafennahe Kneipen- und Vergnügungsmeile in der Stadt wurde nun zu einem Ort, an dem sich beobachten lässt, wie sich Akkulturationsprozesse jenseits der offiziellen Umerziehungsbemühungen abspielten: Deutsche Kneipenwirte versuchten, amerikanische Stereotype von Deutschland oder das, was sie dafür hielten, durch entsprechende Umbauten ihrer Einrichtungen für den eigenen Umsatz nutzbar zu machen. Symbolisch für den Wunsch nach Teilhabe am amerikanischen way of life stand der Jazz, der in den Kneipen als Live-Musik erklang und von den Einheimischen so gut es ging nachgeahmt wurde. Nicht zuletzt die wirtschaftliche Attraktivität der Amerikaner war der Grund dafür, dass existierende Widerstände gegen diese Art der Amerikanisierung marginalisiert wurden. Bis heute stellt die Präsenz der Amerikaner im Bremerhavener kulturellen Gedächtnis einen positiven Mythos dar.
Cultural exchange in the bar. The Process of Americanisation in Bremerhaven in the first two decades after Second World War
For the American military forces after the Second World War the so called Port of Embarkation in Bremerhaven served as a support harbour for the troops stationed in Europe. After the end of the military governments in 1949 Bremerhaven remained a US military place up to the end of the Cold War. The milieu of bars and pubs in Bremerhaven near the harbour, what had existed already before Second World War now turned into a place which one can look at as an example for the nature of processes of acculturation during the official reeducation politics: German pub keepers rebuilt their places in order to serve American stereotypes of typical »German« life – or rather what they thought to be such American stereotypes – in order to get more profit from the new American guests. Jazz, what was played live in the bars and pubs, stood as a symbol for the desire of participation in the American way of life, and so was imitated by the Bremerhaveners. Last but not least the economic advantages were the reasons for the fact that the opposition of the bourgeois milieu against this kind of »Americanization« was marginalized. Up to today the American presence is remembered in the Bremerhaven collective memory as a positive myth.
Kurz-Bio: Rüdiger Ritter
Museum der 50er Jahre Bremerhaven/Osteuropa-Institut der Freien Universität Berlin.
E-Mail: RRitter@gmx.de