Felix Krämer
Der Fall Carter. Das Scheitern eines US-Präsidenten in den Fernsehnachrichten zwischen 1975 und 1981
Warum gilt Jimmy Carter bis in die Gegenwart vielen als erfolgloser Präsident? Diese Beobachtung bildet den Ausgangspunkt für eine Studie zum Scheitern in den USA. Ins Zentrum stellt sie das Fernsehen als historische Quelle. Anhand der TV-Nachrichten von ABC, CBS und NBC – der wichtigsten Sender in den 1970er und 1980er Jahren – wird nachvollzogen, wie der 39. Präsident zum unglücklich agierenden Politiker geriet. Männlichkeit und Religion sind die beiden Untersuchungskategorien, anhand derer Carters Repräsentation diskursanalytisch verfolgt wird. Nachdem Jimmy Carter Mitte der 1970er Jahre noch als Hoffnungsträger auf gute Führung nach Watergate und Vietnam in eine politische Öffentlichkeit gestartete war, stellen ihn Berichte aus den Jahren 1978 und 1979 als schwache Führungsfigur dar, umgeben von wenig vertrauenswürdigen Leuten. Wie stark der konservative Anspruch auf moral leadership während der Präsidentschaft Carters die Aufmerksamkeitsökononomie in den USA zu beeinflussen begann, kann an der der mediale Darstellung Carters im Wahlkampf mit Reagan gezeigt werden Die Passung politischer Akteure in das Medium ist für Erfolg oder Misserfolg seitdem kaum mehr zu überschätzen. Das Ideal des moral leader bekam auch deshalb Kontur, weil es gegen eine Figur konstruiert werden konnte, die es nicht auszufüllen schien. Die Perspektive auf einen scheiternden Präsidenten Carter, welche das Fernsehen über seine Abendnachrichten einem Millionenpublikum in der zweiten Hälfte seiner Amtszeit die Wohnzimmer sendete, erschließt eine Ebene, auf der auch Politiker als Aktanten erkennbar werden, die mit den kommunikationsgeschichtlichen Entwicklungen ihrer Zeit verstrickt sind.
The Carter Case. The Failure of a US President in TV News, 1975–1981
This article examines how Jimmy Carter came to be regarded as an unsuccessful president. Based on theoretical considerations on the meaning of failure in the United States the study takes television as a main source of examination. With reference to the TV-News of ABC, CBS, and NBC, I will trace how the 39th president was turned into an unfortunate political actor, especially with regard to the categories of masculinity and religion. Starting out as a potential saviour in terms of good leadership after Watergate and Vietnam by the mid-seventies, TV-reports began to portray Carter as a weak leader belted by an untrustworthy staff throughout the years 1978 and 1979. Finally, the great defeat against Reagan in the 1980 election will be discussed in relation to Carter’s media image. Carter did not live up to the conservative pattern of moral leadership which gained increasing importance in the economy of attention shaped by contemporary US media. The notion of a failing president Carter, presented by TV evening news to many households in the United States throughout the second half of his term in office opens up a perspective wherein political actors become discernible as deeply interwoven with the communication history of their particular period and public.
Kurz-Bio: Felix Krämer
studierte Geschichte, Politik und Gender Studies an der Universität Hamburg. Er war als wissenschaftlicher Mitarbeiter im Exzellenzcluster Religion und Politik in Münster angestellt und hat dort mit einer Arbeit zu Männlichkeit und Evangelikalismus in der Zeitgeschichte der USA promoviert, die unter dem Titel „Moral Leaders“ erschienen ist. Danach war er Postdoktorand am Graduiertenkolleg Dynamiken von Raum und Geschlecht in Kassel und Göttingen und arbeitet an der Universität Erfurt an einem Projekt zur Ernährungsgeschichte der USA.
E-Mail: felix.kraemer@uni-erfurt.de