Nr. 84 | monogamie | Abstract

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Andrea Griesebner und Margareth Lanzinger

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Logiken der Bigamie – frühneuzeitliche Perspektiven und Wahrnehmungen

Für das christliche Eheverständnis war konstitutiv, dass eine Ehe nur zwischen einem Mann und einer Frau geschlossen werden konnte. Eine auf Bigamie gerichtete Perspektive macht sichtbar, dass diese normative Matrix nicht nur auf der diskursiven Ebene, sondern auch in der Praxis herausgefordert wurde. Ziel des Beitrages war es, ausgehend von Bigamieverfahren im heutigen Wien und Niederösterreich sowohl nach den Logiken der Paare als auch des obrigkeitlichen Umgangs mit Doppelehen zu fragen. Serielle Bigamie resultierte vor allem aus dem im katholischen Kontext geltenden Unauflöslichkeitsgebot der Ehe, aber auch aus der Schwierigkeit, den Tod des legitimen Ehepartners, der legitimen Ehepartnerin nachzuweisen. Einblicke in divergierende Haltungen geistlicher und weltlicher Gerichte eröffnen drei verschiedene Settings: erstens der kirchengerichtliche Umgang mit bigamen Paaren in einer kurzen Zeitspanne der Tolerierung in den 1560er und 1570er Jahren; zweitens Forderungen nach einer Annullierung der Ehe bzw. der Wiederaufnahme der rechtmäßigen Ehe im 17. und 18. Jahrhundert sowie drittens ein dramatischer Bigamieprozess, der in den 1620er Jahren vor verschiedenen Instanzen der weltlichen Gerichtsbarkeit verhandelt wurde.

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Logics of Bigamy – Early Modern Perspectives and Perceptions

For the Christian understanding of marriage, it was constitutive that marriage could be concluded only between one man and one woman. A perspective directed towards bigamy makes it clear that this normative matrix has been called into question not only on a discursive level, but also in practice. Based on bigamy proceedings in early modern Vienna and Lower Austria, the article enquires into the social logics of the couples as well as how the authorities dealt with dual marriages. Serial bigamy resulted mainly from the concept of the indissolubility of marriage as well as from the difficulty of proving the death of the rightful spouse. Three different settings provide insights into different attitudes found in both the religious and secular courts: first, the ecclesiastical handling of bigamous couples in a short period of tolerance in the 1560s and 1570s; second, claims for annulment of marriage or the resumption of legal marriage in the 17th and 18th centuries; and third, a dramatic bigamy trial that was heard in various instances of secular jurisdiction in the 1620s.

Kurz-Bio: Andrea Griesebner und Margareth Lanzinger

Andrea Griesebner ist Professorin für Neuere Geschichte am Institut für Geschichte der Universität Wien, wo sie von 2017 bis 2020 auch Institutsvorständin war. Sie war Gastprofessorin an der Georgetown University, Washington, D.C. Zu ihren Forschungsschwerpunkten zählen die feministisch und mikrohistorisch perspektivierte Kultur-, Rechts- und Geschlechtergeschichte. In den letzten Jahren beschäftigte sie sich vor allem mit Ehekonflikten, Scheidungen von Tisch und Bett und der Regelung der Scheidungsfolgen vor kirchlichen und weltlichen Gerichten (16.– 19. Jahrhundert), wozu sie auch drei Forschungsprojekte leitete. 
E-Mail: andrea.griesebner@univie.ac.at  

Margareth Lanzinger ist Professorin für Wirtschafts- und Sozialgeschichte am Institut für Wirtschafts- und Sozialgeschichte der Universität Wien; sie war Gastprofessorin an der FU Berlin sowie Gastdozentin an den Universitäten Hannover und Siegen. Zu ihren Forschungsschwerpunkten zählen Verwandtschaft und Familie, Heirat und Ehe, Besitz und Vermögen, Erb- und Ehegüterpraxis, Kulturgeschichte der Verwaltung, Konstruktion von Held*innen, Historische Anthropologie, Mikro- und Geschlechtergeschichte. Sie leitet derzeit ein Forschungsprojekt zu Verwandtschaft und Vermögen und hat 2020 mit Joachim Eibach The Routledge History of the Domestic Sphere in Europe. 16th to 19th Century herausgegeben. 
E-Mail: margareth.lanzinger@univie.ac.at  

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