Nr. 68 | humanitarismus | Abstract

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Florian Hannig

[ DEUTSCH | ENGLISH | Kurz-Bio]

Mitleid mit Biafranern in Westdeutschland. Eine Historisierung von Empathie

Der nigerianische Bürgerkrieg (1967–1970) war einer der ersten außereuropäischen Konflikte der Nachkriegszeit, der enorme internationale Hilfsbemühungen auf sich zog. Die bundesdeutsche Zivilgesellschaft entwickelte sich rasch zu einem wichtigen Geber humanitärer Hilfe für Nigeria. In diesem Artikel wird die Reaktion der westdeutschen Gesellschaft auf den Konflikt im fernen Afrika untersucht. Das humanitäre Engagement der Westdeutschen im nigerianischen Bürgerkrieg erklärt sich daraus, dass Medien, kirchliche Hilfswerke und Solidaritätskomitees den Konflikt in einer Form rahmten, die zur Identifikation mit einer der Bürgerkriegsparteien einlud. Die Rezipienten nahmen die Repräsentationen allerdings nicht nur passiv wahr, sondern eigneten sich den Konflikt aufgrund individueller Erfahrungen an. Die mediale Berichterstattung sowie die Kampagnen der Hilfswerke und Solidaritätskomitees fungierten also als Referenzrahmen für das Mitleid mit den Biafranern, das sich aufgrund von Veränderungen des emotionalen Regimes der bundesrepublikanischen Gesellschaft individualisierter ausdrücken und damit individueller erfahren ließ. Darüber hinaus fand das Biafra-Engagement breite gesellschaftliche Unterstützung, weil es politisch wenig kontrovers war.

[ ENGLISCH | DEUTSCH]

The Biafra Concern in West Germany. A Historization of Empathy

The Nigerian civil war (1967–1970) was one of the first non-European conflicts to set in motion an enormous international relief operation. West German civil society quickly became an important donor of humanitarian aid to Nigeria. This paper analyzes the contributing factors to this response. The humanitarian effort of West Germans can be explained by the biased framing of the conflict by the media, relief organizations, and solidarity groups. The German public did not perceive these campaigns and media coverage passively, but rather formed strong associations between personal memories and the suffering of the Biafrans. The emotional regime of West Germany had changed in such a way that empathy could be expressed and therefore felt more individually. Finally, that the support for Biafra came from the center of society can be attributed to its politically uncontroversial character.

Kurz-Bio: Florian Hannig

ist Historiker und Doktorand am Institut für Geschichte der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg. In seinem Promotionsprojekt untersucht er die Institutionalisierung von humanitärer Hilfe in der BRD, den USA und den Vereinten Nationen.

E-Mail: florian.hannig@gmx.net

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