Nr. 89 | farbmarkierungen

Farben prägen unsere sozialen Beziehungen und wie wir (auch historisch) die Welt sehen. Sie wirken an sozialen, ideologischen und politischen Zuschreibungen mit. In ihrer metonymischen Funktion haben sie von jeher auch für die politische Geschichte eine zentrale Rolle gespielt, was beispielsweise die Bezeichnungen der »Farbrevolutionen« der letzten Jahrzehnte zeigen (Georgien, Ukraine, Myanmar u.a.). Dabei müssen wir nicht einmal unbedingt eine bestimmte Farbe sehen, um zu verstehen, was gemeint ist. Ein Beispiel hierfür ist die berühmte Szene aus Charlie Chaplins Film Moderne Zeiten von 1936, in der Chaplin eine – wie wir offenbar auch in Schwarz-Weiß erkennen – rote Fahne, die die Ladung eines LKW markiert hatte, von der Straße aufhebt und schließlich unfreiwillig zum Anführer einer Arbeiter*innen-Demonstration wird.

Symbolische Farbkonnotationen dienen sowohl vergeschlechtlichten und rassistischen Zuschreibungen als auch Markierungen politischer Ideologien und nationaler Identitäten. Dies gilt vom pinken Kleid zum braunen Hemd, für schwarze Haut und weiße Masken (Fanon), für rote und grüne Fahnen. Farben sind, jenseits ihrer Materialität, immer auch semiotische Mittel, zu deren Funktion Umberto Eco bemerkte: »Human societies do not only speak of colours, but also with colours.« …

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