Als der Begriff »Globalisierung« Mitte der 1960er Jahre in den angelsächsischen Ländern aufkam, wurde darunter vornehmlich ein ökonomischer Prozess verstanden, der die Welt immer enger zusammenwachsen und räumliche Distanz zur Nebensache werden ließ. Die kulturelle Globalisierung, die der rein ökonomischen auf dem Fuß folgte, konnte unter einer solchen Perspektive nur als Homogenisierungsprozess erscheinen. Amerikanisierung, Globalisierung, Modernisierung – diese Begriffe wurden dabei häufig als Synonyme verwendet, um eine vermeintlich linear ausgerichtete Entwicklung zu bezeichnen. Tatsächlich scheint sich diese Auffassung mit den Erfahrungen in der Alltagswelt zu decken und sie bestimmt daher bis heute das populäre Verständnis von »der« Globalisierung. Sei es der endlich doch aus der Mode kommende Marlboro-Man, der Mars-Schokoriegel, die Levis-Jeans, überall begegnen Weltreisende den vermeintlich gleichen Marketingstrategien und Bildern, mit denen dieselben Produkte beworben werden. Von diesen Bildern wird nicht nur auf den weltweiten Erfolg bestimmter global players geschlossen, sondern sie werden auch als Illustrationen des ansonsten kaum konkret erfahrbaren Prozesses der Globalisierung aufgefasst. Die »McDonaldization«, wie sie von George Ritzer beschrieben wurde, avancierte zum Schlagwort dieser beängstigenden Entwicklung. Sie schien zu belegen, dass (wirtschaftliche) Globalisierung gleichzusetzen sei mit (kultureller) Homogenisierung.
In der wissenschaftlichen Diskussion wurde diese Auffassung jedoch spätestens seit Mitte der 1990er Jahre in Frage gestellt. Soziologen wie Roland Robertson und Habib Haque Khondker oder Ethnologen wie James L. Watson versuchten der Theorie der »McDonaldization« à la Ritzer differenziertere Modelle entgegenzusetzen. Ins Zentrum der Diskussion rückten dabei zwei auf den ersten Blick widersprüchliche Bewegungen: weltweite Homogenisierung und lokale Differenzierung. Das Schlagwort der »Glocalisation« ersetzte die Homogenisierungsthese.
Wir möchten in diesem Themenheft die Frage nach dem Wechselverhältnis von Homogenisierung und Differenzierung ins Zentrum der Überlegungen stellen. Bilder erscheinen uns hierbei als ein besonders produktives Untersuchungsfeld. Tatsächlich haben Warenbilder seit dem ausgehenden 19. Jahrhundert die Architektur unserer Städte verändert und die visuelle Landkarte der Konsumenten revolutioniert. Mit Recht könnte man von einem »visual turn« in der Realgeschichte des Konsums sprechen – im Sinne eines Aneignungsprozesses, innerhalb dessen Konsumenten lernten, Bilder und Produkte zu dechiffrieren, sie wie Texte zu lesen und sie mit Gefühlen oder Vorstellungen zu verbinden, die sie zum Kauf verführen – oder davon abhalten können.
Die Untersuchung der Bilder wird in dem Themenheft mit einer in der deutschen Forschung noch am Anfang stehenden »history of commodities« verbunden. Zum einen lassen sich an Waren und Gütern globale Netzwerke, Produktions- und Vertriebswege abschreiten oder Konsumgewohnheiten und globale Moden nachzeichnen, die alle Kontinente miteinander verbinden. Zum anderen ist festzustellen, dass sich das Problem der Differenzierung versus Homogenisierung bei einer frühen Herausbildung der Marken völlig anders stellte, als dies z. B. bei jenen Waren der Fall war, die sich ohne Markenbildung an lokalen Märkten ausrichten konnten.
Global vertriebene Marken mussten (und müssen) Visualisierungen finden, die einen weltweiten Vertrieb ermöglichen. Sie befördern eine Vereinheitlichung der globalen Sehgewohnheiten. Aber Bilder sind kulturell äußerst variabel. Nicht nur werden in unterschiedlichen Kontexten mit demselben Bild unterschiedliche Dinge assoziiert; die Art und Weise, Bilder zu lesen, ist nicht weniger kulturspezifisch: die äußere Erscheinung eines Bildes mag beliebig reproduzierbar sein, die innere Vorstellung, die es erzeugt, kann regional und sozial äußerst unterschiedlich sein. Nicht nur die Bilder der Marken oder der Werbung, auch die Produkte selbst können ihre Bedeutung im Zuge der Übertragung auf andere Märkte verändern. Die »history of commodities« erlaubt daher Einblicke in das Wechselverhältnis von Homogenisierung und Differenzierung im Prozess der Globalisierung(en).
Das Themenheft nimmt eine interdisziplinär geführte, leider häufig theoretisch bleibende Diskussion auf und vertieft sie mit vier empirischen Untersuchungen zur Baumwolle, zur Schokolade, zum Tabak und zur Kosmetik. Anhand verschiedener, global verbreiteter Waren und Produkte geht es den Fragen nach, wie sich in konkreten Fällen Homogenisierungs- und Differenzierungstendenzen zueinander verhalten, und welche Rolle dabei Bildern zukommt.
Sven Beckert kontrastiert in seiner Analyse des globalen Baumwollmarktes die Logik der industriellen Produktion, die auf die Homogenisierung der Arbeitsbedingungen und der Endprodukte hinwirkte, mit der Logik des globalen Marktes, die Kaufleute und Produzenten vor Ort gerade zu einer größeren Differenzierung zwang. Bilder, Werbung und Marken spielten daher auf dem globalen Baumwollmarkt bis ins 20. Jahrhundert hinein keine Rolle. Angelika Epple untersucht die herausragende Bedeutung von einheitlichen Bildern für frühe Multinationals, die Marken erstmals weltweit vertrieben. Die Homogenisierung auf der sichtbaren Oberfläche der globalen Warenbilder stand im Gegensatz zu den durch diese Bilder evozierten Vorstellungsbildern. Sie gehorchten anderen Gesetzen, unterlagen keiner Uniformierung, sondern waren von nationalen Differenzen in den Kulturen des Sehens geprägt. Sandra Schürmann und Tino Jacobs heben darauf ab, dass sich durch Migration von ausländischen Fabrikanten und Konsumenten Ende des 19. Jahrhunderts ein Zigarettenmarkt in Deutschland herausbildete, der von Anfang an regional stark zersplittert war. Sie gehen der Pluralisierung der visuellen Strategien nach und zeigen die Ungleichzeitigkeit der Entwicklungen innerhalb der von Brüchen gekennzeichneten Branche und ihrer Bilderwelt. Der deutsche Zigarettenmarkt bis nach dem Zweiten Weltkrieg erweist sich so als Arena komplexer Aneigungs- und Anpassungsprozesse. Uta Poiger untersucht am Beispiel von zwei deutschen Kosmetikproduzenten, die frühzeitig auf einen globalen Markt ausgerichtet waren, wie sich bildliche und textliche Werbung zu Beginn des 20. Jahrhunderts zunächst nach transnationalen Mustern formte, dann aber den politischen Veränderungen in Deutschland selbst folgte und zugleich versuchte, sich den nationalen kulturellen und politischen Bedingungen im globalen Markt anzupassen.
Der Werkstattbericht widmet sich einem umweltgeschichtlichen Thema. Cindy Baierl und Jochen Ebert untersuchen am Beispiel des im 16. Jahrhundert gegründeten und bis in Gegenwart bestehenden hessischen Domänenguts Frankenhausen die Wechselwirkungen zwischen Landschaft und Domänenwirtschaft. Dabei werden sowohl rechtliche, politische und (betriebs-)wirtschaftliche Faktoren beleuchtet, die zur Veränderung der Landschaft vom 16. Jahrhundert bis zu Beginn des 20. Jahrhunderts beitrugen. Uwe Dathe erinnert an das Massaker von Babij Jar (1941) und berichtet über eine auf mehrere Bände angelegte russische Quellenedition und die damit verbundenen Diskussionen um die Bewertung eines der schlimmsten Massaker des Zweiten Weltkrieges. Fernando Vidal wendet sich in der Filmkritik Michel Gondrys »Eternal Sunshine of the Spotless Mind« (2004) zu.
Angelika Epple, Dorothee Wierling und die Redaktion