Stefan Zeppenfeld
Alternatives Freizeitvergnügen. Die bundesdeutsche Entdeckung des Flohmarkts im »roten Jahrzehnt« (1967–1977)
Im unmittelbaren Vorfeld der aufkommenden Studierendenproteste fanden 1966/67 in Hamburg und Hannover die ersten Flohmärkte in der Geschichte der Bundesrepublik statt. Schon bald folgten Initiativen in zahlreichen weiteren Städten diesem Impuls. Binnen weniger Jahre entwickelte sich »der Flohmarkt« zu einem bundesweiten Phänomen, das sich sowohl in großen Universitätsstädten als auch in provinziellen Kleinstädten etablieren konnte. Dieser Beitrag betrachtet die Ausbreitung des Flohmarkts im ersten Jahrzehnt seiner bundesdeutschen Existenz unter zwei Aspekten. Zum einen sahen sich die frühen Flohmärkte in einer engen gedanklichen Verbindung nach Paris. Während das Vorbild des dortigen marché aux puces gezielt für »ein Stück Paris« in der Bundesrepublik sorgen sollte, maßen auch die zahlreichen Kritiker*innen die Märkte an diesem Anspruch. Zum anderen entwickelten sich Flohmärkte zu Bühnen des politischen Protests im »roten Jahrzehnt«, die den klassischen Protestthemen der Zeit Raum boten. Gleichzeitig unterbanden einige Städte Protestaktionen oder Meinungsäußerungen durch Anpassungen der Marktordnung. Mit diesem Beitrag sollen die Geschichte der »68er« und der alternativen Bewegungen ergänzt sowie Forschungsperspektiven einer Geschichte des Flohmarkts skizziert werden.
Alternative Leisure Activitiy. The Discovery of the Flea Market in the »Red Decade« in the Federal Republic of Germany (1967–1977)
In the immediate run-up to the emerging student protests, the first flea markets in the history of the Federal Republic of Germany were held in Hamburg and Hanover in 1966/67. Initiatives in numerous other cities soon followed their lead. Within a few years, »the flea market« developed into a nationwide phenomenon that was able to establish itself in both large university cities and small provincial towns. This article looks at the spread of the flea market in the first decade of its existence in Germany from two perspectives. First, the early flea markets saw themselves as having a close connection to Paris. While the model of the marché aux puces there was intended to provide »a piece of Paris« in the Federal Republic, its numerous critics also measured the German markets against this claim. Second, flea markets developed into stages of political protest in the »red decade«, offering space for the classic protest themes of the time. Meanwhile, some cities prevented protests or the expression of political opinions by changes to their market regulations. The aim of this article is to supplement the history of the »68ers« as well as the alternative movements and to outline research perspectives for a history of the flea market.
Kurz-Bio: Stefan Zeppenfeld
Stefan Zeppenfeld ist promovierter Historiker und studierte in Münster, Istanbul und Berlin. Seit 2022 ist er wissenschaftlicher Mitarbeiter am Historischen Institut der Ruhr-Universität Bochum im Verbundprojekt »Kulturen des Kompromisses« mit einem Postdoc-Projekt zur Geschichte der Freizeitgestaltung im 20.Jahrhundert.