Isabelle Schürch
Koloniale Tierlichkeit und conquest companions: Mensch-tierliche Gewalterfahrungen in den Amerikas
Dieser Beitrag diskutiert methodische und darstellerische Fragen, was es heißen könnte, die frühe Eroberungsgeschichte der sogenannten Amerikas als mensch-tierliche Körpererfahrung von Gewalt zu schreiben. Gerade ein körpergeschichtlicher Ansatz ermöglicht es, so die These, Gewalt nicht nur als menschliche, sondern auch als tierliche Erfahrung zu analysieren. Es geht in dem Beitrag also nicht darum, menschliche Gewalt als »tierische« Entgrenzung zu problematisieren. Im Gegensatz zu späteren (Selbst)Beschreibungen durch die spanischen zeitgenössischen Kommentatoren – die im Übrigen bis in die heutige Historiografie wirksam sind –, dominierten Ende des 15. und im frühen 16. Jahrhundert auch nicht Narrative einer »Vertierlichung« der »indigenen Bevölkerung«. Vielmehr lassen sich Feindbilder herausarbeiten, die von einem militärischen Kontext der Eroberungs- und Bündnispraxis geprägt sind. Indem der Beitrag mensch-tierliche Eroberungsakteurschaften der Conquistadoren zu Pferd aus spanischer Sicht mit Erzählungen der Gewalterfahrung dieser mensch-tierlichen Duos aus der Sicht von Mexica-Kommentatoren konfrontiert, lässt sich eine Gewaltpraxis herausarbeiten, die über eine faktorielle Rolle von Tieren hinausgeht und die die Körperlichkeit von Gewalt über das Menschliche hinaus bedingte.
Colonial Animality and Conquest Companions. Human-Animal Experiences of Violence in the Americas
This article discusses methodological and narrative questions about what it could mean to write the early history of the conquest of the so-called Americas as a human-animal bodily experience of violence. The main argument is that a body-historical approach makes it possible to analyse violence not only as a human but also as a nonhuman experience. The aim of the article is therefore not to problematise human violence as an »animalistic« dissolution of boundaries. In contrast to later (self-)fashioning by contemporary Spanish commentators – which is still effective in today’s historiography – narratives of a supposed »animalisation« of the »indigenous population« did not dominate in the late 15th and early 16th centuries. Rather, it is possible to identify hostile stereotypes that are characterised by a military context conditioned by practices of conquest and alliance. By confronting the human-animal conquistadorial actorship of conquistadors on horseback from a Spanish perspective with narratives of the violent experiences of these human-animal duos from the perspective of Mexica commentators, it is possible to identify a practice of violence that goes beyond the factorial role of animals and that emphasises the corporeality of violence beyond the human.
Kurz-Bio: Isabelle Schürch
Isabelle Schürch ist seit 2018 Postdoc-Assistentin an der Abteilung für Mittelalterliche Geschichte des Historischen Instituts der Universität Bern. Nach ihrer Promotion im Rahmen des Nationalen Forschungsschwerpunkts »NCCR Mediality« in Zürich war sie von 2015 bis 2018 wissenschaftliche Mitarbeiterin in Rudolf Schlögls Reinhart-Koselleck-Projekt »Vergesellschaftung unter Anwesenden« in Konstanz. Von 2020 bis 2021 war sie Marie Skłodowska-Curie Postdoctoral Research Fellow an der University of Sheffield. Ihre Forschungsschwerpunkte sind die Geschichte der Medialität, spätmittelalterliche Herrschaftspraktiken und Sozialgeschichte. Derzeit beschäftigt sie sich mit der Geschichte der Mensch-Tier-Beziehungen und den Grenzen des Sozialen.
E-Mail: isabelle.schuerch@unibe.ch