Heike Weber
Müll und Recycling. Der Glaube an das technische Schließen von »Stoffkreisläufen«
Für drei historische Phasen betrachtet der Artikel, inwiefern die Kreislauf-Metapher in der (west)deutschen Vergangenheit dazu diente, ein Mehr an Abfallrecycling zu fordern oder zu erreichen. Betrachtet werden Abfall in der Stadt um 1900 und im NS-Regime sowie die westdeutsche Abfallbeseitigung der Nachkriegsdekaden. Nicht erst die heutige Forderung nach einer »Circular Economy« rekurriert also auf das Bild des Kreislaufs, um zu suggerieren, Stoffkreisläufe würden sich technisch schließen lassen. Vorbild für das jeweils anzutreffende Kreislaufdenken von Hygiene- und Müllexperten sowie Stadttechnikern sowie auch von vielen Zeitgenossen war die Natur mit ihren biogeochemischen Kreisläufen. Mit der Kreislauf-Metapher war und ist die Hoffnung verbunden, das Abfallproblem technisch lösen zu können, ohne den sozialen Metabolismus der Gesellschaft und ihre Strukturen des Produzierens und Konsumierens tiefgreifend umgestalten zu müssen. Auch das naturwissenschaftliche und technisch-ökonomische Wissen zu Entropie oder auch zur Komplexität von Logistik und Stofftransformation beim Recycling hat bis dato die Wirkmacht der Kreislauf-Metapher keinesfalls gemindert.
Waste and Recycling. The Belief in Closing »Material Loops«
With reference to the case of (West) Germany and three different historical episodes, this article asks to what extent the metaphor of the cycle and of closing material loops served actors to demand or achieve more waste recycling. It considers waste (first) in the city around 1900, (second) in the Nazi regime and (third) the post-war West German waste disposal system. Similar to today’s call for a »circular economy«, the circular metaphor suggested that material »cycles« could be technically closed. Nature and its biogeochemical cycles proved the model for this circular thinking among hygienists, waste experts, urban engineers and many others. The circular metaphor expressed the hope that the problem of waste could be solved technologically without having to profoundly transform the social metabolism of society and its structures of production and consumption. To this day, even scientific, technological and economic knowledge about entropy or the complexity of recycling’s logistics and material transformations has not diminished the persuasiveness of the closed loop metaphor.
Kurz-Bio: Heike Weber
Heike Weber ist Professorin für Technikgeschichte an der TU Berlin. Ihre Forschungsschwerpunkte liegen am Schnittfeld von Konsum-, Umwelt- und Technikgeschichte. Heike Weber hat zur Geschichte von mobilen Medien, zur Designgeschichte, zur Popularisierung von Technik sowie zur Geschichte von Müll, Recycling und Reparieren publiziert.
E-Mail: h.weber@tu-berlin.de