Nr. 83 | sinne | Abstract

Zurück zum Inhalt

Cecilia Cristellon

[ DEUTSCH | ENGLISH | Kurz-Bio]

Sinne vor Gericht. Performativität, Beweise und Bewertung in Renaissance und Vormoderne

Die Zunahme der Schriftkultur zwischen dem 12. und dem 13. Jahrhundert ermöglichte es, Informationen über bestimmte Kulturen und Bräuche zu bewahren, die über die Sinne ausgedrückt und tradiert wurden. Einmal verschriftlicht, wurden diese Sinneserfahrungen der Schriftlichkeit untergeordnet, die ihre performative und rechtliche Wirksamkeit ersetzte, und die Sinne schließlich in die Sphäre von Folklore, Aberglauben und Devianz verbannte. Am Beispiel von Eheprozessen sowie Verfahren über die Heiligkeit wird die Rolle der Sinne beim Auswerten und Präsentieren von Beweisen vor kirchlichen Gerichten untersucht. Dabei wird die Dynamik einer sensory community, die über gemeinsame sinnesbezogene Normen, Praktiken und Wahrnehmungen verfügt, analysiert. Kulturell kodierte Sinne werden als Grundlage für die Regulierung sozialer Beziehungen, die Schaffung und den Transfer kollektiver Erinnerung verstanden. Die Hierarchisierung der Sinne begleitet Prozesse der Institutionalisierung und ist durch Geschlechterkonkurrenz gekennzeichnet.

[ ENGLISCH | DEUTSCH]

The Senses in Court: Performativity, Proofs and Expertise in the Renaissance and the Early Modern Period

The growth of written culture between the twelfth and thirteenth centuries made it possible to preserve information on customary lore and on cultures that were expressed and perpetuated through the senses. Once transcribed, these sensory experiences became subordinate to a medium (writing) that claimed to replace their performative and legal efficacy, eventually relegating them to the realm of folklore, superstition, and deviance. Using two case studies, matrimonial litigation and proceedings about sanctity, this article examines the role of the senses in performing and proving legal reality in early modern ecclesiastical courts. It analyzes the dynamics of a sensory community with shared sensory norms, practices, and perceptions. Looking at culturally coded senses as a basis for regulating social relationships and creating and transferring collective memory, I reflect on the hierarchy of the senses that accompanied the process of institutionalization and was marked by gender competition.

Kurz-Bio: Cecilia Cristellon

Cecilia Cristellon ist wissenschaftliche Mitarbeiterin am Historischen Seminar der Goethe-Universität Frankfurt am Main und im Löwe-Projekt »Architekturen des Ordnens. Praktiken und Diskurse zwischen Entwerfen und Wissen«. Ihre Forschungsschwerpunkte liegen im Bereich der europäischen Religions- und Rechtsgeschichte in der Frühen Neuzeit, der Geschichte der Ehe sowie der interreligiösen und interkonfessionellen Koexistenz. Derzeit beendet sie das Buch »Negotiating Confession in Early Modern Europe: Roman Congregations, Mixed Marriages and Administering of Religious Plurality in an Entangled World«.

E-Mail: C.Cristellon@em.uni-frankfurt.de

Zurück zum Inhalt