Nr. 80 | politische gefangene | Abstract

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Lucia Herrmann

[ DEUTSCH | ENGLISH | Kurz-Bio]

Juristisches Wissen aus der Zelle. Spanische kommunistische Gefangene und der Deutungskonflikt über den franquistischen „Rechtsstaat“ in den 1960er-Jahren

Im Laufe der 1950er-Jahre eignete sich die franquistische Regierung in Spanien eine Rhetorik an, die das eigene politische System als Rechtsstaat beschrieb. Zur selben Zeit pochten inhaftierte Oppositionelle in zunehmend öffentlichkeitswirksamer Art und Weise auf ihren Status als „politische Gefangene“ – eine Kategorie, die es im spanischen Strafvollzug offiziell nicht mehr gab. Einer von ihnen war der kommunistische Anwalt Gregorio Ortiz Ricoll, der zusammen mit anderen Kommunisten im Gefängnis von Burgos saß. Wie der vorliegende Beitrag zeigt, setzte Ortiz Ricoll sein juristisches Wissen gezielt ein, um gegen die Inhaftierung von „politischen Gefangenen“ zu protestieren. Die Autorin untersucht die Möglichkeiten und Grenzen dieser Form des Gefangenenprotests und stellt die Frage, inwiefern er eine Herausforderung für die sich als rechtsstaatlich gebende Diktatur darstellte. Dabei wird ersichtlich, dass der Deutungskonflikt über Spaniens Rechtsstaat nicht auf eine nationale Ebene beschränkt blieb, sondern transnational geführt wurde.

[ ENGLISCH | DEUTSCH]

Legal Knowledge from the Cell. Spanish Communist Prisoners and the Conflict over Francoist “Rule of Law” in the 1960s

In the course of the 1950s, Francisco Franco’s government increasingly described Spain’s political system as one founded on the rule of law. At the same time incarcerated members of the opposition publicly claimed to be recognized as „political prisoners“ – a category that officially no longer existed in the Spanish prison regime. One of these detainees was a communist lawyer called Gregorio Ortiz Ricoll who, together with other communists, was detained in the prison of Burgos. This article analyses ways in which Ortiz Ricoll made use of his legal knowledge to protest against the detention of „political prisoners“. It discusses this specific form of prison protest and asks to what extent it enabled communist prisoners to challenge the dictatorship’s rhetoric. The status of rule of law in Spain, it becomes clear, was highly debated not only on a national but on a transnational level.

Kurz-Bio: Lucia Herrmann

ist Doktorandin an der Universität Zürich. In ihrem Dissertationsprojekt untersucht sie politische Inhaftierung im franquistischen Spanien als internationales Problem, insbesondere auch die damit verbundenen Debatten um Spaniens politische Gefangene, und sie fragt nach den rechtlichen Grenzen staatlicher Gewalt im Zeitraum von 1950 bis 1980.

E-Mail: lucia.herrmann@fsw.uzh.ch

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