Nr. 80 | politische gefangene | Abstract

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Joachim C. Häberlen

[ DEUTSCH | ENGLISH | Kurz-Bio]

Demokratische Erzählungen: Zur Verortung von „Willkommenskultur“ und „Flüchtlingskrise“ in der bundesrepublikanischen Geschichte

Das Essay wirft einen kritischen Blick auf Narrative der „Flüchtlingskrise“ und wie sich diese zu allgemeineren Narrativen der bundesrepublikanischen Geschichte verhalten. Dabei analysiert das Essay zwei vorherrschende Sprechweisen über die Flüchtlingskrise und wie Flüchtlinge in diesen dargestellt werden: Erstens wird die Flüchtlingskrise, nicht zuletzt von einer Reihe älterer deutscher Historiker, als eine Bedrohung des demokratischen Projekts der Bundesrepublik dargestellt. Zweitens wird die Flüchtlingskrise als „humanitäre Krise“ aufgefasst. In der ersten Erzählung treten Flüchtlinge als Fremde auf, die mit westlichen Werten und Demokratie nicht vertraut sind, was sie potentiell gefährlich macht. Sie benötigen daher eine Unterweisung in Demokratie. Die zweite Erzählung ist durch eine „humanitäre Vernunft“ (Didier Fassin) gekennzeichnet. In dieser Erzählung zählt vor allem das biologische Leben der Flüchtling, das gerettet werden muss, nicht aber ihr biographisches und damit politisches Leben. Das Essay schlägt eine positivere und optimistischere Erzählung vor, in der Flüchtlinge als politische Akteure auftreten, die sich für Freiheit und Demokratie einsetzten, nicht zuletzt in der syrischen Revolution gegen das Assad-Regime.

[ ENGLISCH | DEUTSCH]

Reflections on the Place of “Welcome Culture” and “Refugee Crisis” in the History of the Federal Republic of Germany

The essay offers a critical reflection on narratives of the recent “refugee crisis” and how they relate to broader narratives of the Federal Republic. The essay analyzes two modes of talking about the refugee crisis and how refugees are depicted in these narratives: first, not least a number of senior German historians have presented the refugee crisis as a threat to the democratic project of the Federal Republic. Second, the refugee crisis is depicted as a “humanitarian crisis”. In the first narrative, refugees lack of familiarity with the Western values and democracy makes them potentially dangerous and calls for educating them about democracy. In the second narrative that is characterized by what Didier Fassin has called a “humanitarian reason”, refugees are reduced to mere biological life that needs to be rescued, but whose biographical and thus political life does not matter. The essay calls for developing a more positive and optimistic narrative that considers refugees as political subjects who have struggled for freedom and democracy, not least in the Syrian Revolution against the Assad regime.

Kurz-Bio: Joachim C. Häberlen

ist Associate Professor of Modern Continental European History an der University of Warwick. Er arbeitet dort zur Geschichte sozialer Bewegungen. Jüngst erschien von ihm Wie aus Fremden Freunde werden. Ein politisches Essay über Begegnungen mit Flüchtlingen (2018).

E-Mail: J.Haeberlen@warwick.ac.uk

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