Nr. 80 | politische gefangene | Abstract

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Gabriele Metzler

[ DEUTSCH | ENGLISH | Kurz-Bio]

Chronotopoi der Politisierung. George Jacksons Briefe Soledad Brother und seine Erfindung als politischer Gefangener

Der Beitrag behandelt die Entwicklung George Jacksons von einem Kleinkriminellen zu einem der prominentesten politischen Gefangenen der 1960er und 1970er Jahre. Jacksons Geschichte fügt sich ein in die afro-amerikanische Bürgerrechtsbewegung und deren Radikalisierung, aber auch in die linke counterculture Kaliforniens. Sein Fall wurde von der politischen Bewegung außerhalb der Gefängnisse politisiert, die Reformen des Justizwesens seit langem einforderte und in ihm einen exemplarischen Fall rassisch motivierter Diskriminierung sah. Aber Jackson trug auch selbst zu seiner Politisierung bei. Die Briefe, die er aus dem Gefängnis schrieb und die unter dem Titel Soledad Brother 1970 veröffentlicht wurden, zeugen von den unwürdigen Haftbedingungen in den kalifornischen Gefängnissen, von Gewalt und alltäglichem Rassismus. Vor allem aber belegen sie – so das Argument dieses Beitrags –, wie es ihm gelang, durch seine eigene Ordnung von Raum und Zeit (d.h. durch die Schaffung von Chronotopoi) sich als souveränes politisches Subjekt zu konstituieren, das trotz widriger Umstände seine eigene Handlungsmacht bewahrt.

[ ENGLISCH | DEUTSCH]

Chronotopoi of Politicization. George Jackson’s Letters Soledad Brother and His Invention as a Political Prisoner

The article deals with George Jackson’s development from a petty criminal to one of the most prominent political prisoners of the 1960s and 1970s. Jackson’s story fits into the African-American civil rights movement and its radicalization, but also into California’s left wing counterculture. Having long called for reforms of the judicial system, the political movement outside the prisons politicized the case, regarding it as exemplary for racially motivated discrimination. But Jackson himself also contributed to his politicization. His letters, written from jail and published under the title Soledad Brother in 1970, testify to the dreadful conditions in California prisons, to violence and everyday racism. Above all, however, they prove – so the argument of this paper – how he succeeded, through his own order of time and space (i.e. through the creation of Chronotopoi), in constituting himself as a sovereign political subject that in spite of adverse circumstances retains its own agency.

Kurz-Bio: Gabriele Metzler

ist Professorin für die Geschichte Westeuropas und der transatlantischen Beziehungen an der Humboldt-Universität zu Berlin. Ihre Forschungsschwerpunkte sind der Wandel von Staatlichkeit in Westeuropa und den USA seit 1945, staatliche Antiterrorpolitik seit den 1970er-Jahren sowie der Wandel der westeuropäischen Gesellschaften durch die Erfahrung von Kolonialismus und Dekolonisierung. Die neueste Buchpublikation ist Der Staat der Historiker. Staatsvorstellungen deutscher Historiker seit 1945 (2018).

E-Mail: gabriele.metzler@geschichte.hu-berlin.de

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