Nr. 79 | arbeit / freizeit | Abstract

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Sepp Linhart

[ DEUTSCH | ENGLISH | Kurz-Bio]

Nationale und internationale Diskurse über Arbeit und Freizeit in Japan

In unseren populären Vorstellungen zählten die Japaner lange zu den fleißigen Völkern, für die Arbeit alles und Freizeit wenig bedeutete. Im vorliegenden Aufsatz werden sowohl die nationalen als auch die internationalen Diskurse aus populärem Schrifttum, Wissenschaft und Politik über Arbeit und Freizeit der Japaner untersucht, die über Japan hinaus große Bedeutung erlangten. In der vorindustriellen Zeit wird ab ca. 1700 in Japan eine industrious revolution postuliert, doch bei den Japan-Reisenden des 19. Jahrhunderts überwiegt der Eindruck eines paradiesischen Japan, in dem die Muße dominiert. Die japanische Regierung bemühte sich ihrerseits, die Staatsbürger zu mehr Fleiß anzuhalten. Schulen, Fabriken und Militär waren in der ›Umerziehung‹ zu fleißigen, der modernen Industriearbeit gewachsenen Staatsbürgern äußerst erfolgreich. Mit den wirtschaftlichen Erfolgen nach 1960 wurde ›Arbeiten wie ein Japaner‹ in Europa und den USA zu einer angst einflößenden Metapher, die durch Berichte von zahlreichen Toden durch Überarbeitung noch verschärft wurde. Im postindustriellen Japan seit 1990 wurden die traditionellen Diskurse ersetzt durch solche über eine neue Populärkultur, die gekennzeichnet ist durch das Schlagwort ›Cool Japan‹ , ein Land, das für viele junge Menschen auf der ganzen Welt wegen seiner spielerischen Kultur höchste Anziehungskraft besitzt.

[ ENGLISCH | DEUTSCH]

National and International Discourses about Work and Leisure in Japan

In our popular image the Japanese have been grouped into the countries where work is of immense importance, while leisure hardly exists. This essay investigates the national and international discourses about work and leisure in popular writings, academic works and politics, which gained importance both within and outside of Japan. In pre-industrial time, from about 1700 onwards, an ›industrious revolution‹ is postulated to have taken place, but Western travelers to Japan in the late 19th century reported about paradise-like conditions with no work and only leisure. The Japanese government tried to install a spirit of diligence into their population to meet the demands of modern factory work. Schools, factories and the military were very successful in re-educating people into hardworking citizens. After the economic success from 1960 onwards, the metaphor ›working like a Japanese‹ expressed the uneasiness and fears of Western societies in the wake of Japan’s economic boom, especially when news about thousands of victims from overwork in Japan became known. In the postindustrial age, the traditional work-centered discourses were replaced by discourses about popular culture in Japan. The phrase ›Cool Japan‹ stands for a country which proves to be attractive to many younger people all over the world because of its culture of play.

Kurz-Bio: Sepp Linhart

war o. Professor für Japanologie an der Universität Wien von 1978 bis 2012, seither ist er emeritiert. Als Gastprofessor war er unter anderem an der Universität Kyōto, am International Research Center for Japanese Studies und an der Universität Paris VII tätig. 2005 erhielt er den Yamagata Bantō-Preis der Präfektur Osaka. Seine Forschungen befassen sich hauptsächlich mit der japanischen Gesellschaft, insbesondere den Themen Arbeit und Freizeit, Alter und Populärkultur. Wichtigste themennahe Publikationen sind: Arbeit, Freizeit und Familie in Japan (1976) und The Culture of Japan as Seen through its Leisure (herausgegeben zusammen mit Sabine Frühstück, 1998).

sepp.linhart@univie.ac.at

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