Nr. 79 | arbeit / freizeit | Abstract

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Frank Reichherzer

[ DEUTSCH | ENGLISH | Kurz-Bio]

Offiziere – Zwei essayistische Erkundungen in die Grenzregionen von Arbeit und freier Zeit um 1900

Gegenstand des Beitrages ist die Sozialfigur des Offiziers. Diese soll auf ihre temporalen Konstruktionsbedingungen untersucht werden, um Einblicke in das Verhältnis von Arbeit und Freizeit in der Zeit um 1900 zu erlangen. Nach einer kurzen Reflexion über Arbeit und Freizeit führt dieser Weg zunächst zu den Selbstzuschreibungen der Offiziere. Hier sind zwar Versuche der Abgrenzung von Zeiträumen zu finden, es werden aber auch Übergänge und Überlagerungen von Zeiten deutlich, die – klar verknüpft mit ‚Standesehre und Standespflichten‘ – den Offizier in ein immer und überall geltendes (Selbst-)Kontrollsystem einspannen und seine Zeitökonomie bis in kleine Details hinein bestimmen. Der zweite Gang führt in die Satire und betrachtet das in den Fremdzuschreibungen gezeichnete Stereotyp des Offiziers mit Blick auf dessen Umgang mit Zeit. Im Spiegel des Witzes erscheint eine Figur, die in immensem Zeitluxus lebt, sich durch ‚demonstrativen Müßiggang‘ von der Gesellschaft abgrenzt, keiner nützlichen Tätigkeit nachgeht, zudem als militärisch ineffizient gebrandmarkt wird und somit aus einem modernen Modell der Erwerbsarbeit mit seinem normativen Zeitregime herausfällt. Zusammengenommen entsteht so das Bild einer nomadischen Figur, die in mannigfaltigen Bezugssystemen zwischen Arbeit und Freizeit lebt, wo Zwang und Freiheit im Zeitnutzen ineinanderfließen.

[ ENGLISCH | DEUTSCH]

Officers – Two Essayistic Expeditions to the Borderlands of Work and Leisure in the Years around 1900

The nature of the officer seen as a social character depends on temporal aspects. How officers and society make sense of using time in the all-day life of this specific category of military personnel could shed light on the interrelationship of work and leisure around the turn from the 19th to the 20th century. After reflecting on the concepts of work and leisure a first expedition to the borderlands of work and leisure starts inside the officer corps. Here we find officers who try to separate times from each other along the service and free time. But on the other hand, the officer was subjected to a specific code of honor which regulated the use of time in a very detailed way – in duty and off duty. So times became liquid and colonized each other. The second expedition goes deep into the world of satire: cartoons and jokes mirror an idle character having a massive amount of free time, marking social status by ‘conspicuous leisure’, doing no useful things, being military inefficient and hence being excluded first from a society which defined itself and its identity by work and second from the rising modern time regime separating and defining specific times. Hence a picture arises which shows the officer as a nomadic social character living in a complex framework of times, were work and leisure, coercion and freedom are melting together into a mélange of times.

Kurz-Bio: Frank Reichherzer

ist Wissenschaftlicher Oberrat am Zentrum für Militärgeschichte und Sozialwissenschaften der Bundeswehr in Potsdam. Er arbeitet zur Ideen- und Wissensgeschichte von Krieg, Militär, Gewalt und Frieden und verbindet diese mit praxeologischen und performativen Ansätzen. In seinem aktuellen Forschungsprojekt beschäftigt er sich mit den komplexen Zeitlichkeiten im Kontext von Militär und Krieg, womit er einen Beitrag zu einer »Chronogeschichte« der Neuzeit leisten möchte.

frankreichherzer@bundeswehr.org

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