Nr. 76 | werkstücke | Abstract

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Dagmar Lieske

[ DEUTSCH | ENGLISH | Kurz-Bio]

Zum Umgang mit Pädophilie und sexuellem Kindesmissbrauch im Nationalsozialismus

Der Paragraph 176 des Strafgesetzbuches stellte seit 1872 sexuellen Kindesmissbrauch unter Strafe. Nach der nationalsozialistischen Machtübernahme blieb die Rechtsnorm zunächst unverändert, gleichzeitig flankierten aber ab Ende 1933 Instrumente wie die »Sicherungsverwahrung«, Zwangskastrationen oder die Haft in einem Konzentrationslager das (Sexual-)Strafrecht. Anhand von vier Fallakten des Berliner Landgerichts wird in dem vorliegenden Artikel ein Einblick in den staatlichen Umgang mit Pädosexualität im Nationalsozialismus gewährt. Es handelt sich dabei um erste Ergebnisse und Arbeitshypothesen aus einem Forschungsprojekt, in dem bei Fällen von sexuellem Kindesmissbrauch die Anwendung des geltenden Rechts sowie weiterer kriminalpolitischer Maßnahmen von der Weimarer Republik bis in die Nachkriegszeit untersucht wird. Neben diesen staatlichen Praxen werden die Quellen im Hinblick darauf analysiert, welche Konzepte von Sexualität, Geschlecht, Gewalt und Kindheit dort verhandelt werden und inwiefern diese mit zeitgenössischen gesellschaftlichen Diskursen über Kinderschutz und Kindesmissbrauch korrespondieren.

[ ENGLISCH | DEUTSCH]

Dealing with Paedosexuality and Child Sexual Abuse during National Socialism

Article 176 of the German penal code criminalized child sexual abuse since 1872. After the National Socialist came in to power, the legal norm initially remained unchanged, but the (sexual) criminal was flanked at the end of 1933 by instruments such as »preventive detention«, forced castration or imprisonment in a concentration camp (sexual). On the basis of four case files of the Berlin district court, this article provides an insight into the state’s handling of paedosexuality under National Socialism. These are the first results and working hypotheses from a research project examining the application of current law and other criminal policy measures from the Weimar Republic until after the war in cases of sexual child abuse. In addition to these state practices, the sources are analysed with regard to which concepts of sexuality, gender, violence and childhood are being discussed there and to what extent they correspond with contemporary social discourses on child protection and child abuse.

Kurz-Bio: Dagmar Lieske

ist Historikerin und Politologin und langjährige Mitarbeiterin an verschiedenen Gedenkstätten. 2015 wurde sie an der Freien Universität Berlin zum Thema »›Berufsverbrecher‹ als KZ-Häftlinge« promoviert. Derzeit ist sie Lehrbeauftragte an der FU Berlin, Stipendiatin der Gerda Henkel Stiftung (PostDoc) und Redaktionsmitglied von SozialgeschichteOnline.

E-Mail: dagmar.lieske@fu-berlin.de

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