Winfried Süß
»Gold ist Trumpf und weiter nichts.« Reichtumskonflikte im langen 19. Jahrhundert
Das 19. Jahrhundert war eine Zeit der intensiven publizistischen und wissenschaftlichen Beschäftigung mit dem Thema Reichtum. Nach einem Überblick über die Genese großer Vermögen fragt der Beitrag nach der Wahrnehmung von Reichtum in Deutschland zwischen Vormärz und Erstem Weltkrieg und diskutiert die mit der Genese neuen Reichtums verbundenen politisch-sozialen Konflikte. Wer galt überhaupt als reich? Welche Erwartungen verbanden sich mit der als Epochensignatur wahrgenommenen Reichtumsvermehrung? Der Beitrag argumentiert, dass Reichtum als sehr ambivalentes Sozialphänomen aufgefasst wurde. In der populären Publizistik dominierte eine Deutung, die neben den individuellen Chancen auch den gesellschaftlichen Nutzen privaten Vermögenserwerbs akzentuierte. Daneben standen Sichtweisen, die den neu entstehenden bürgerlichen Reichtum als Gefährdung der traditionellen Sozialordnung und des gesellschaftlichen Zusammenhalts begriffen. Seit dem Gründerkrach wurden die Risiken eines unregulierten Kapitalismus verstärkt diskutiert und die aktive Rolle des Staates beim Ausgleich gesellschaftlicher Interessen betont. Aus dieser Perspektive lässt sich die Entstehung des modernen Wohlfahrtsstaats auch als Versuch deuten, eine Antwort auf die durch den neuen Reichtum verursachten Kontroversen über soziale Ungleichheit im ausgehenden 19. Jahrhundert zu geben.
»Gold trumps all, nothing else matters.« Conflicts About Wealth in the Long 19th Century
The 19th century was a time of intensive journalistic and academic preoccupation with the theme of wealth. After providing an overview of the genesis of great fortunes, the essay examines how wealth was perceived in Germany between the 1830s and the First World War, and discusses the political and social conflicts associated with the genesis of new fortunes. Who was actually considered as wealthy? What expectations were connected with the increase in wealth perceived as a signature of the epoch? The essay argues that wealth was understood as a very ambivalent social phenomenon. In the popular press, an interpretation dominated that accentuated the social utility of private asset acquisition along with individual opportunities. Competing points of view understood newly arising bourgeois wealth as endangering the traditional social order and societal cohesion. Since the Panic of 1873, the risks of unregulated capitalism received increased attention, with an emphasis on the government’s active role in balancing societal interests. From this perspective, the development of the modern welfare state may also be interpreted as an attempt to respond to the controversies about social inequality arising from the new wealth toward the end of the 19th century.
Kurz-Bio: Winfried Süß
ist Projektleiter am Zentrum für Zeithistorische Forschung Potsdam und Privatdozent für Neuere und Neueste Geschichte an der Ludwig-Maximilians-Universität München. Forschungsschwerpunkte: Geschichte des »Dritten Reiches«, des modernen Wohlfahrtsstaats, der Arbeit und sozialen Ungleichheit.
E-mail: suess@zzf-pdm.de