Johannes Pause
Der Antagonismus der Räume und die Militanz des Blicks. Gillo Pontecorvos Battaglia di Algeri
Der Beitrag analysiert, wie in Gillo Pontecorvos Battaglia di Algeri (1966) über die Organisation des filmischen Raums eine dialektische Theorie des Kolonialismus entwickelt wird. Während der Widerspruch zwischen Kolonialmacht und Kolonisierten als antithetisches ‚Gefängnis der Blicke‘ inszeniert wird, wird in der „Coda“ des Films eine Lösung des Konflikts angedeutet, die den Antagonismus des Kolonialsystems tendenziell aufhebt: War der bewaffnete Widerstand der FLN noch ein Spiegelbild der kolonialen Gewalt, so erscheint der Aufstand der Bevölkerung nun als ein für die französischen Beobachter nicht mehr semantisierbares ‚Drittes‘. Die Analyse schlägt vor, die filmische Darstellung historischer Ereignisse selbst als Theorie zu lesen, und vollzieht nach, wie in Battaglia di Algeri der Film als politisches wie theoretisches Medium reflektiert wird. Abschließend wird der Frage nachgegangen, inwiefern Pontecorvos Klassiker folgende filmische Auseinandersetzungen mit Kolonialismus und Neo-Kolonialismus beeinflusst hat.
The Antagonism of Spaces and the Militancy of the Gaze. Gillo Pontecorvo’s Battaglia di Algeri
This article analyses how Gillo Pontecorvo’s Battaglia di Algeri (1966) develops a dialectic theory of colonialism via the organization of filmic space. While the opposition between colonial power and colonized people is staged as antithetical ‘prison of the gaze’, the “coda“ of the film implies a resolution to the conflict, that manages to suspend the antagonism of the colonial system: As the armed resistance of the National Liberation Front (FLN) is a mirror image of colonial power, the uprising of the population then appears to the French observer as a no longer understandable ‘Third’. This analysis suggests to read the filmic representation of historical events as theory and traces how in Battaglia di Algeri the film itself is reflected as a political and theoretical medium. To conclude, the paper investigates in what way Pontecorvo’s classic films influenced following filmic engagements with colonialism and neo-colonialism.
Kurz-Bio: Johannes Pause
Wissenschaftlicher Mitarbeiter des ERC-Projekts „The Principle of Disruption“ an der Technischen Universität Dresden. Er studierte Germanistik, Philosophie und Filmwissenschaft in Hamburg und Berlin und promovierte an der Freien Universität Berlin mit einer Dissertation über Zeitkonzepte in der deutschsprachigen Gegenwartsliteratur. Danach war er als Postdoc am Gießener Graduiertenkolleg „Transnationale Medienereignisse von der frühen Neuzeit bis zur Gegenwart“ sowie am Historisch-Kulturwissenschaftlichen Forschungszentrum (HKFZ) Trier tätig. In seinem aktuellen Forschungsprojekt beschäftigt er sich mit dem politischen Kino der 1960er bis 2000er Jahre.
Ausgewählte Publikationen: Pause, Johannes: Texturen der Zeit. Zum Wandel ästhetischer Zeitkonzepte in der deutschsprachigen Gegenwartsliteratur, Köln 2012; Ders./Nanz, Tobias (Hgg.): Das Undenkbare filmen. Atomkrieg im Kino, Bielefeld 2013; Ders./Gradinari, Irina/Müller, Dorit (Hgg.): Wissensraum Film, Wiesbaden 2014; Ders./Nanz, Tobias (Hgg.): Politiken des Ereignisses. Mediale Formierungen von Vergangenheit und Zukunft, Bielefeld 2015.
E-Mail: johannes.pause@tu-dresden.de