Nr. 61 | geschichte und kritik | Abstract

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Mohammad A. S. Sarhangi

[ DEUTSCH | ENGLISH | Kurz-Bio]

Gegennarrative. Ein Versuch über Andrzej Munks Die Passagierin (Pasażerka)

Die Filmkritik beschäftigt sich mit dem Film Die Passagierin, der 1963 erstmals in Cannes aufgeführt wurde und auf dem Roman der polnischen Schriftstellerin Zofia Posmysz basiert. Roman und Film erzählen von der Beziehung zwischen einer KZ-Aufseherin und einem weiblichen Häftling im Frauenlager von Auschwitz-Birkenau sowie ihrer späteren (vermeintlichen) Wiederbegegnung auf einem Kreuzfahrtschiff. Posmysz legte mit ihrem literarischen Werk Zeugnis über ihre eigene Zeit im Lager ab, und der während der Dreharbeiten tödlich verunglückte Regisseur Andrzej Munk übersetzte dieses literarische Zeugnis in Filmsprache. Beide Werke thematisieren die Frage nach Schuld und Verantwortung, indem sie gleichsam einen juristischen Prozess im Bewusstsein der ehemaligen Aufseherin entstehen lassen, einen Prozess, dem sie sich bereits entzogen zu haben glaubte. Die Passagierin handelt damit nicht zuletzt von der Dringlichkeit von Gegennarrativen, Narrativen gegen Unwahrheiten, Vertuschungen und Schweigen zur Zeit des Nationalsozialismus und gegen das Vergessen und Verharmlosen danach.

[ ENGLISCH | DEUTSCH]

Counter Narratives: On Andrzej Munk’s The Passenger

The film review deals with The Passenger, which is based on a novel by the Polish author Zofia Posmysz and premiered at the Cannes festival in 1963. Both the novel and the film tell the story of the relationship between a female SS guard and a female prisoner in the women’s camp at Auschwitz-Birkenau and their (supposed) re-encounter on a cruise ship years later. Posmysz intended her novel to be a witness’s account of her own experiences in Auschwitz, and the Polish director Andrzej Munk, who was killed in a car accident during the shooting of the film, translated the literary account into filmic language. Both works pose questions about guilt and responsibility by showing how a sort of juridical trial develops in the former guard’s mind, a trial that she believed she could have escaped. Thus, The Passenger stresses the urgency of counter-narratives, that is, of narratives against lies, covering up, and keeping silent during the time of National Socialism, and against forgetting and down-playing afterwards.

Kurz-Bio: Mohammad A. S. Sarhangi

geb. in Teheran; studierte an der Universität Hamburg Geschichte und Germanistik und promoviert seit 2012 am Zentrum Jüdische Studien Berlin-Brandenburg über „Das (v)erdichtete Gedächtnis oder: Von der Zeugenschaft der Fiktion“.

E-Mail: m.sarhangi@zentrum-juedische-studien.de

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