Nr. 59 | sichtbar/verborgen | Abstract

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Joachim C. Häberlen

[ DEUTSCH | ENGLISH | Kurz-Bio]

Klassenkampf an allen Fronten oder politische Belästigung? Umstrittene Räume des Politischen innerhalb der Leipziger Arbeiterbewegung am Ende der Weimarer Republik

Überlegungen zu einer neuen Politikgeschichte fragen nach den sich historisch verschiebenden Grenzen des Politischen. Diese nimmt der Beitrag auf und wendet sie räumlich, indem er am Beispiel der Arbeiterbewegung Leipzigs gegen Ende der Weimarer Republik untersucht, wo Politik stattfand. Die Parteien der Arbeiterbewegung, SPD und KPD, hatten höchst unterschiedliche Vorstellungen davon, wo Politik stattfinden und welche Räume und Orte frei von Politik bleiben sollten. Dabei stand die Frage nach dem Ort von Politik stets im Zusammenhang mit der Frage, was Gegenstand von Politik sein sollte und welche Praktiken als politisch gelten konnten. Gegenüber der Literatur, die immer wieder betont, wie hochgradig politisiert die Gesellschaft zum Ende der Weimarer Republik war, hebt der Beitrag den Widerstand hervor, auf den diese Politisierung traf – auch innerhalb der KPD, deren Führung den Raum des Politischen radikal ausweiten wollte. Mit diesem Ansatz soll ein Beitrag zum Verständnis der Frage geleistet werden, weshalb es in Deutschland anders als etwa in Frankreich zu keiner breiten und erfolgreichen Mobilisierung der Arbeiterbewegung gegen die Nationalsozialisten kam.

[ ENGLISCH | DEUTSCH]

Class Struggle at the Front Line or Political Nuisance? Contested political spaces within Leipzig’s worker’s movement at the end of the Weimar republic

Building on new approaches to political history that investigate the historically changing and contested boundaries of the political, but giving these ideas a spatial twist, the essay examines where politics took place on the local level during the final years of the Weimar Republic. Leipzig’s working-class movement provides the case to study. Both parties of the working-class movement, KPD and SPD, had rather different ideas concerning the appropriate place of politics and the spaces that should remain free of political struggle. Closely related to this issue was the question as to what the subject of politics should be and which practices could legitimately be considered political. In contrast to the literature that frequently emphasizes the deep politicization of late Weimar society, the article stresses the resis- tance this politicization met, even within the KPD, whose leadership sought to radically extend the boundaries of the political. This approach contributes, the article argues, to an explanation of the German working-class movement’s failure to mobilize against the rise of Nazism.

Kurz-Bio: Joachim C. Häberlen

Joachim C. Häberlen ist Postdoc-Stipendiat im Arbeitsbereich Geschichte der Gefühle am Max-Planck-Institut für Bildungsforschung, Berlin, wo er zu Emotionen in der Neuen Linken nach 1968 arbeitet. Er promovierte 2011 an der University of Chicago mit einer Arbeit, die im Frühjahr 2013 unter dem Titel »Vertrauen und Politik im Alltag: Die Arbeiterbewegung in Leipzig und Lyon im Moment der Krise, 1929– 33/38« erscheinen wird. Gemeinsam mit Agnes Arndt und Christiane Reinecke gab er den Band »Vergleichen, Verflechten, Verwirren? Europäische Geschichtsschreibung zwischen Theorie und Praxis« (Göttingen, 2011) heraus.
E-Mail: haeberlen@mpib-berlin.mpg.de

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