Hubertus Büschel
›The Native Mind‹ – Rassismus in den ›Humanitären Entwicklungswissenschaften‹ zu Afrika südlich der Sahara 1920–1940
Der Beitrag fragt nach Rassismus innerhalb von Wissensdiskursen und -praktiken sogenannter ›humanitärer Entwicklungswissenschaften‹, die sich seit den 1920er Jahren mit ausdrücklich nicht gewaltsamen und die Verhältnisse vor Ort berücksichtigende Entwicklungspraktiken in Afrika südlich der Sahara befassten. Besonders Anthropologen und Soziologen versuchten hierbei die vermeintliche ›Andersartigkeit‹ afrikanischer Kultur und des sogenannten ›native mind‹ als Ursachen für Unterentwicklung zu ergründen. Erklärte Ziele waren die ›Verbesserung‹ der Lebensbedingungen von Afrikanern und die Förderung von Selbsthilfekräften. In einer als humanitär verstandenen dezidierten Abkehr von biologischen Rassismen konnten kulturelle Rassismen etabliert werden, die – wie im Falle der Massai in Tanganjika – soziale Disziplinierung, Exklusion und sogar physische Gewalt mit sich bringen konnten. Untermauert durch empirische Forschungen stifteten sich hier Deutungshoheiten über Entwicklungswissen, die rigiden sozialen Praktiken den Weg bahnen konnten gegenüber all jenen, die als nicht im Stande oder willens für eigenständige Entwicklung angesehen wurden.
›The Native Mind‹ – Racism in the ›Humanitarian Development Sciences‹ of Sub-Saharan Africa, 1920–1940
The article investigates racism in Western anthropological and sociological discourses and practices that focus on the cultural background of underdevelopment in Sub-Saharan Africa in the interwar period. In this period, scientists generally insisted on the humanitarian dimension of their ›development sciences‹. By this, they rejected biological racism as well as colonial violence and demonstrated their deep understanding of local conditions. The goals were strategies for the ›improvement‹ of living conditions and for empowering Africans to help themselves. The article shows, however, the deep involvement of cultural racism in these humanitarian claims in the consequent creation of African cultural otherness. This knowledge and politics of otherness could create social exclusion and even physical violence against all African peoples who were deemed unable to develop themselves for cultural reasons – like – for example – the Maasai in Tanganyika.
Kurz-Bio: Hubertus Büschel
Hubertus Büschel ist Juniorprofessor für Kulturgeschichte an der Justus-Liebig-Universität und am International Graduate Centre for the Study of Culture, Gießen. Er hat gerade seine Habilitationsschrift zu deutscher »Hilfe zur Selbsthilfe« in Tansania, Togo und Kamerun in den 1960er Jahren abgeschlossen und arbeitet nun an einer Globalgeschichte von Psychiatrie, Psychoanalyse und Psychologie im tropischen Afrika im 19. und 20. Jahrhundert.
E-Mail: hubertus.bueschel@gcsc.uni-giessen.de