Monica Rüthers
Der Blick in den Kuhstall. Repräsentationen von Stadt und Landschaft in Jubiläumsbänden zur sowjetischen Architektur
Ausgehend von der aktuellen Marginalisierung der post-sozialistischen ländlichen Regionen untersucht der Artikel sowjetische Traditionen der visuellen Konstruktion von Differenz und Hierarchien zwischen Stadt und Land, Zentrum und Peripherie. Hauptquelle sind sowjetische Architekturbildbände aus den Jahren 1950, 1957 und 1968. Dabei geht es weniger um das Dargestellte als vielmehr um die Art und Weise der Repräsentation, um Drucktechniken, Layout, Perspektivenwahl und den Einsatz von Retusche. Die Bildbände konstituierten Landschaften und Stadträume als Objekte der Eroberung und Modernisierung. Dabei stellten sie deutliche Hierarchien dar. Insgesamt kristallisiert sich eine visuelle Verlandschaftung der sowjetischen Selbstbeschreibung heraus, die Konstitution von Landschaft als Bild. Der Blick darauf erweist sich vornehmlich als der hegemoniale Blick des weißen, russischen und implizit männlichen Hauptstädters. Menschen, Gebäude und Maschinen werden als „Teile von Landschaften“ dargestellt, verschmelzen mit diesen. Neben arkadischen Landschaften der Erholung standen Musterkolchosen als Stätten industrialisierter landwirtschaftlicher Produktion. Eingeschrieben in solche Repräsentationen sind weitreichende gesellschaftliche Konzepte.
The View into the Cowshed. Representations of City and Country in Anniversary Volumes on Soviet Architecture
While Moscow tries to position itself among the ranks of global cities, the Russian countryside still seems to belong to a different century. The paper investigates the Soviet tradition of this gap by a close reading of illustrated volumes on Soviet Architecture edited for the 30th, 40th and 50th anniversaries of the Great October Revolution of 1917. These photo-books show how social concepts were visually constructed using printing techniques, graphic design, choice of perspective and retouching. The whole of the Soviet Union is represented between two covers as a series of landscapes where people, buildings and machines blend or even melt in. The viewer of these pictures of perfect communist spaces is implicitly constructed as a white Russian town dweller, if not a Muscovite. The countryside appears as a pastoral space of recreation for town dwellers on one hand and as a site of modern industrial production of food, a reservoir of raw materials and energy on the other.
Kurz-Bio: Monica Rüthers
Historikerin, bearbeitet am Historischen Seminar der Universität Basel das SNF-Projekt „Topographien kindlicher Lebenswelten in der Sowjetunion, 1950-1985“.
E-Mail: m.ruethersatunibas.ch