Michaela Hohkamp
Tanten: vom Nutzen einer verwandtschaftlichen Figur für die Erforschung
familiärer Ökonomien in der Frühen Neuzeit
Tanten sind in der historiographischen Literatur wenig berücksichtigt worden. Auch wenn die Rede von den Netzwerken seit einigen Jahren schon die historiographische Aufsatzwelt erobert hat. Und Tanten genau das sind, was die Rede von der Geschichte als einer Geschichte von und in Netzwerken konkret zu machen vermag. Der soziale Verband wird durch Verwandtschaftsgefüge strukturiert und Verwandtschaft gibt es, weil es Generationen, Heirat und die Geschwister der Eltern – kurz Onkel und Tanten gibt. Die Einführung zeigt an einigen Beispielen aus der Geschichte des Alten Reichs die Schlüsselfunktion von Tanten als Heiratsvermittlerin, als Familienoberhaupt und Erzieherin, als Verbindungsglied von Höfen über Europa hinweg. Und sie betont: Verwandtschaft ist nicht das hierarchisch fixierte Gerüst um Fürst, Vater und erstgeborenem Sohn. Verwandtschaft ist das dynamische mutuale Gefüge, in dem jeder nicht nur »Ich«, sondern je nach sozialer Situation Vater, Sohn, Onkel, Mutter, Tochter und nicht zuletzt Tante ist.
Aunts: How Reflections on a Figure of Kinship Relations can contribute to the Study of Early Modern Family Economies
Aunts have been sparsely studied in the literature, even though the study of kinship networks has conquered academia in recent years. Aunts are precisely what allow us to concretise history as a history of and within networks. Kinship structures society, and kinship exists because generations, marriage and siblings of parents – uncles and aunts – exist. The introduction takes examples from the history of the Alte Reich to show the key function of the aunt as marriage broker, as head of family and governess, and as link between courts in a European dimension. It underlines that kinship is not a hierarchically fixed framework centred on the prince, father and first-born son. Kinship is a dynamic interdependent structure within which everyone is not only ego but, depending on the social situation, also father and/or son and/or uncle, mother, daughter – and not least aunt.
Kurz-Bio: Michaela Hohkamp
seit Sommersemester 2007 Privatdozentin für Neuere Geschichte am Fachbereich Geschichts- und Kulturwissenschaften der Freien Universität Berlin. Forschungsschwerpunkte sind politische Geschichte der FNZ aus kulturwissenschaftlicher Perspektive, Geschlechtergeschichte sowie Geschichte von Familie und Verwandtschaft vom 16. bis zum 18. Jahrhundert.
E-Mail: hohkamp@zedat.fu-berlin.de