Margareth Lanzinger
Tanten, Schwägerinnen und Nichten – Beziehungsgefüge, Vermögenskonflikte und ›Reparaturehen‹ oder: Linie und Paar in Konkurrenz
Die hier untersuchte Gesellschaft Tirols und Vorarlbergs orientierte sich bezüglich des Transfers von Besitz- und Vermögen maßgeblich an den Abstammungslinien. Gestützt wurde dieses Konzept durch die eheliche Gütertrennung, welche das Ehepaar gegenüber der Herkunftsfamilie und Verwandtschaft in eine nachrangige Position verwies. Die Gesetzgebung unternahm im 19. Jahrhundert erste bescheidene Schritte in Richtung einer Besserstellung der Ehegatten. Umbrüche im Denken zeigen sich deutlicher jedoch in Form von testamentarischen Begünstigungen des überlebenden Ehepartners. Dabei handelte es sich nicht nur um eine rechtliche Frage, sondern vor allem um eine Frage der sozialen Akzeptanz, denn solche Aktionen konnten von Spannungen und Konflikten begleitet sein, wie aus Dispensansuchen im Kontext von Verwandtenehen sichtbar wurde. Diese fungierten als eine Art ‚Reparaturmodus‘, beugten Konflikten vor und befriedeten Feindschaften. Insbesondere über Eheschließungen mit der Schwester oder Nichte der verstorbenen Frau wurde Vermögen in diesem Zusammenhang gesichert. Die Schwägerin als Braut und zugleich als Tante und Stiefmutter der Kinder des Witwers nahm in dem sich hier abzeichnenden Prozess einer Verdichtung der Beziehungs- und Verwandtschaftsgefüge die markanteste Position ein. Sie stand als Garantin sozialer, emotionaler und ökonomischer Stabilität – als uneingeschränkt positiver Gegenpart zur äußerst negativ gezeichneten ‚fremden‘ Stiefmutter.
Aunts, sisters-in-law, and nieces – networks of relations, conflicts over property and assets, and ‘repair marriages’ or: a competition of lineage and couple
As for the transfer of property and assets, the society of Tyrol and Vorarlberg that is examined in this paper mainly followed the lines of hereditary order of succession/lineage. This concept was supported by the judicial separation of marital property, which put the couple at a disadvantage with the family and relatives. 19th century legislation slowly started to improve the spouses’ position. The conceptual changes appear more markedly in wills benefiting the surviving spouse. This is not only a matter of legal concern, but it primarily mirrors social acceptance since such transactions could be accompanied by strained relations and conflicts as can be seen from dispensation applications within the context of kinship marriages. Such marriages functioned as ‘repair work’, prevented conflicts, and pacified animosity. By marrying the deceased wife’s sister or niece, one wanted to keep a hand on the property. The most striking position in this process of intensifying the structure of relationships and kinship patterns was that of the sister-in-law who was the widower’s bride and at the same time his children’s aunt as well as stepmother. As a strictly positive counterpart of the most negatively drawn image of the stepmother who was a stranger, she was to guarantee social, emotional, and economic stability.
Kurz-Bio: Margareth Lanzinger
nhaberin einer Hertha-Firnberg-Habilitationsstelle am Institut für Geschichte der Universität Wien.
E-Mail: margareth.lanzinger@univie.ac.at