Nr. 45 | globale waren | Abstract

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Fernando Vidal

[ DEUTSCH | ENGLISH | Kurz-Bio]

Eternal Sunshine of the Spotless Mind

Vergiß mein nicht! und die Ideengeschichte des Ichs

Unsere Vorstellungen vom Ich sind seit dem späten 17. Jahrhundert entscheidend von der Theorie John Lockes geprägt, derzufolge menschliche Identität nicht durch Körper- und Stofflichkeit, sondern durch Erinnerung und Bewußtsein gewährleistet wird. Das Kino hat sich schon früh dem Verhältnis von Gehirn, Körper und persönlicher Identität angenommen – man denke nur an James Whales Klassiker Frankenstein von 1931 – und bearbeitet das Thema seitdem immer wieder aufs Neue. In aller Regel wird dabei eine Form der Gedächtnis-Theorie vorausgesetzt und die Erinnerung im Gehirn lokalisiert. Die meisten Filme untermauern damit die Ideologie des “zerebralen Subjekts”, derzufolge Menschen im wesentlichen auf ihr Gehirn reduziert werden können. Das ist nach dem sogenannten “Jahrzehnt des Gehirns” (in den 90er Jahren) und am Beginn des “Jahrhunderts des Gehirns” keine große Überraschung. Doch der amerikanische Spielfilm Eternal Sunshine of the Spotless Mind (2004) in der Regie von Michel Gondry verdient es, aus der Vielzahl solcher Brain-Movies hervorgehoben zu werden. Während sich die meisten Filme ausschließlich in ihrem plot, in den Dialogen oder über einige Science Fiction Klischees mit Aspekten des “zerebralen Subjekts” beschäftigen, geht Eternal Sunshine das Thema vor allem über filmische Mittel wie Schnitt, Stimmen aus dem off, Licht- und Kameraführung an und artikuliert auf diese Weise zugleich ein erhebliches Unbehagen an einer solchen Sicht des menschlichen Ich.

[ ENGLISCH | DEUTSCH]

Since the late 17th century, most discussions of personal identity have been framed by John Locke’s theory that identity is not defined by matter or substance, but by memory and consciousness. Since at least James Whale’s 1931 classic Frankenstein, cinema has often dealt with the relationship of brain, body, and personal identity, generally assuming some version of the memory theory, and locating memory in the brain. It has thus become one of the mechanisms by which modern culture elaborates that relationship. Most often, it does so in ways that substantiate the ideology of the “cerebral subject” according to which humans are essentially reducible to their brains. This is not a surprise after the so-called “Decade of the Brain” (the 1990s) and in the early years of the “Century of the Brain.” But Michel Gondry’s Eternal Sunshine of the Spotless Mind (2004) deserves to be singled out. Whereas most films that engage with “cerebral subject” issues do so mainly by means of plot, dialogue and science fiction clichés, Eternal Sunshine favors cinematic means such as editing, voice-over, light, focus or camera movement, and it is with those means that it expresses the tensions inherent to that view of the human self.

Kurz-Bio: Fernando Vidal

Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Max-Planck-Institut für Wissenschaftsgeschichte, Berlin. Forschungsschwerpunkt: Geschichte der Geisteswissenschaften seit dem 16. Jahrhundert unter besonderer Berücksichtigung des Verhältnisses von Gehirn, Selbst und Körper in der christlichen Tradition und des „cerebral subject” in der gegenwärtigen Kultur.
E-mail: vidal@mpiwg-berlin.mpg.de

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