Elsbeth Locher-Scholte
Die »Indische Generation« in den Niederlanden. Koloniales Erbe als innen- wie außenpolitisches Problem (1950-2005)
In meinem Beitrag beschäftige ich mich mit der Entwicklung der kollektiven Erinnerungen an das indische koloniale Erbe in den Niederlanden, das verkörpert wird durch die „Indische Generation“. Entscheidend ist hier die Frage nach der Beziehung zwischen den Erinnerungen an das Leid zur Zeit der japanischen Okkupation während des Zweiten Weltkrieges im Pazifik (1941-1945) und der Anerkennung der aktiven Rolle der Niederländer im darauffolgenden Kolonialkrieg (1945-1949). Die Erinnerungen an beide Kriege waren von Anfang an getrennt. Die Erinnerungen an den Zweiten Weltkrieg im Pazifik waren jedoch leichter zu integrieren als diejenigen an den Kolonialkrieg, was nicht zuletzt durch einen sich verändernden Diskurs über die Kriegsopfer in den 1970er Jahren bedingt wurde. Die offizielle Anerkennung der Rolle der Niederländer im indonesischen Unabhängigkeitskrieg ist das Resultat eines sehr schwierigen Prozesses von Verdrängung, Vergessen und Erinnerung. Die moralistische Eigenart der niederländischen Identitätsbildung und der wachsende Mangel an historischem Wissen verhinderte die Integration dieser Kriegserinnerungen für 60 Jahre. Dieses koloniale Erbe beeinflusst die nationale Erinnerungskultur, die Geschichtsschreibung und die internationalen Beziehungen zu Indonesien und Japan bis heute.
The »Indies Generation« in the Netherlands. The Colonial Heritage as a National and International Problem (1950-2005)
In this contribution I analyze the effects of the Indies colonial heritage in the Netherlands, embodied by the ‘Indies generation’. The leading question concerns the relationship between the memories of the suffering under the Japanese occupation during the Second World War in the Pacific (1941-1945) and recognition of the active Dutch role during the ensuing colonial war (1945-1949).
Memories of both wars were separated from the start. Memories of World War II in the Pacific were easier to integrate than those of the colonial war, due also to the changing discourse on war victims in the 1970s. Official acceptance of the Dutch role in the war for Indonesian independence is the consequence of a more complicated trajectory of suppressing, forgetting and remembering. The moral(istic) character of Dutch identity formation and a growing lack of historical knowledge prevented the integration of those war memories for sixty years. This colonial heritage has affected national memory culture and history writing as well as international relations with Indonesia and Japan until quite recently.
Kurz-Bio: Elsbeth Locher-Scholte
Associate Professor am Historischen Institut der Universität Utrecht
E-Mail: elsbeth.locher-scholten@let.uu.nl