Nr. 42 | diebe! | Abstract

Zurück zum Inhalt

Paul Lerner

[ DEUTSCH | ENGLISH | Kurz-Bio]

Konsumkrankheiten: Kleptomanie, Magazinitis und Frauen als Konsumentinnen im Kaiserreich und der Weimarer Republik

Ladendiebstahl wurde von der zeitgenössischen Psychiatrie als eine Epidemie unter deutschen Frauen im späten neunzehnten Jahrhundert betrachtet. Mediziner und andere Fachleute sahen die Ursache dieses Problems in der Ausdehnung von Warenhäusern in deutschen Städten zu dieser Zeit, und sie machten mal eine pathologische Veranlagung der Ladendiebin bzw. Kleptomanin, mal die Verführungen der Warenauslage und Werbung dafür verantwortlich. Die Kleptomanie wurde mit wenigen Ausnahmen als eine Frauenkrankheit angesehen, die besonders häufig während Menstruation oder Schwangerschaft auftrat. Der Kleptomanie-Diskurs reflektierte eine allgemeine kulturelle Ambivalenz gegenüber der so genannten Kauflust und der Konsumpraxis von Frauen. Die psychiatrische Sicht auf die Warenhäuser als „Frauenfänger“ und Frauenverführer wird in dem Artikel verknüpft mit Darstellungen von Warenhäusern in politischen und literarischen Quellen. In beiden Fällen überschnitten sich diese Motive mit Bildern von jüdischen Männern als wirtschaftliche und sexuelle Ausbeuter.

[ ENGLISCH | DEUTSCH]

Consuming Pathologies: Kleptomania, Magazinitis and the Problem of Female Consumption in Wilhelmine and Weimar Germany

This essay treats the psychiatric discussion of shoplifting, which appeared to reach epidemic proportions with the emergence of department stores in German cities starting in the late nineteenth century. Psychiatrists, the essay shows, blamed the problem alternately on the shoplifter’s pathological constitution and the allegedly irresistible temptations of advertising and productive display in the exciting, but dangerous department store environment. Kleptomania, which was seen almost exclusively as a female problem, most likely to occur during menstruation or pregnancy, reflected a cultural unease surrounding female consumption and women’s desires for commodities. Ultimately, the essay connects psychiatric views of the department store as the seducer of German women with political and literary representations of shopping and mass consumption in the early twentieth century and suggests that both types of representations overlap with images of Jewish men as economic and sexual predators.

Kurz-Bio: Paul Lerner

Historiker, Associate Professor of History, University of Southern California
E-Mail: plerner@usc.edu

Zurück zum Inhalt