Editorial: Nr. 34 | kaleidoskop

cover-034Der Blick durch ein Kaleidoskop unterscheidet sich vom exakten Blick durch ein Mikroskop oder die erweiterte Perspektive durch ein Fernrohr. Ein Kaleidoskop bringt uns die Dinge nicht näher, sondern liefert ein buntes Bild kleiner Teilchen, die keine Gemeinsamkeit haben, aber doch zusammenhängen und eine Struktur aufweisen.

Nicht immer gibt eine interessante Fragestellung Material für ein ganzes Themenheft her. Um auch auf Geschichten eingehen zu können, die sich jenseits populärer Themen bewegen, haben wir in diesem Heft Artikel zu unterschiedlichen historischen Epochen und Themen zusammengefasst.

Einem Bereich der Gewerkschaftlichen Organisierung in der jungen Bundesrepublik widmet sich Susanne Kreutzer. Bei den gewerkschaftlichen Auseinandersetzungen der 50er Jahre war der Kampf um die Gleichstellung von Frauen sicher nicht das oberste Ziel. Dennoch setzte sich die ÖTV stark für die Organisierung von Krankenschwestern ein. Kreutzer zeigt anhand von gewerkschaftlichen Quellen und Interviews mit ehemaligen Gewerkschafterinnen, dass hierbei die Geschlechterbilder letzten Endes nicht geändert wurden . im Gegenteil, das vorherrschende Bild vom weiblichen »Liebesdienst« an den Patienten und die Vorstellung von der unpolitischen Frau wurden weiter bekräftigt.

Alexander Schug untersucht die Einwirkungen der amerikanischen Werbebranche auf die Deutschen Werbefirmen der Weimarer Republik. Die amerikanischen Advertising Agencies brachten moderne und innovative Impulse für die deutsche Werbeindustrie und die junge Markt- und Verbrauchsforschung. Der Einfluss der amerikanischen Werbeagenturen in Deutschland blieb auch in den 30er Jahren bestehen und wurde schließlich zur Grundlage für marktbeherrschende Position amerikanischer Werbeagenturen in Westdeutschland nach 1945.

Eine Annäherung an die Geschichte des Schlafes in der Frühen Neuzeit liefert Birgit Emich. Auch der scheinbar selbstverständliche und alltägliche Schlaf, so ihre Überlegung, hat eine Geschichte. Aus naheliegenden Gründen stößt hier ein historischer Ansatz, der die Erfahrung der Subjekte in den Mittelpunkt rückt, an seine Grenzen. Die Autorin arbeitet anhand normierender Vorschriften und Selbstzeugnisse die disziplinierenden Tendenzen der Schlafgeschichte heraus. Während die Nachtruhe für den überwiegenden Teil der Bevölkerung schon früh begann, konnten sich wohlhabende Schichten die »Eroberung der Nacht« leisten und stellten dieses Privileg des Nicht-Schlafens offen zur Schau.

Die Wiederaufnahme der totgesagten großen Erzählung durch Michael Hardts und Antonio Negris »Empire« hat ein vielfältiges und gespaltenes Echo hervorgerufen. Von den Einen wurde es als neues kommunistisches Manifest gefeiert, von den Anderen als wenig überzeugend zurückgewiesen. Obwohl die beiden Autoren mit ihrem Entwurf die Geschichtswissenschaft in vielen Punkten provokativ herausfordern, hat die Zunft . wie bei anderen populären Büchern zuvor auch . auf eine Reaktion und Auseinandersetzung großenteils verzichtet. Dass »Empire« auch für Historikerinnen und Historiker interessante Fragen und Aspekte aufwirft, zeigt Angelika Epple in ihrer kritischen Lektüre des Buches.

Um die Auflösung nationaler Grenzen und Kategorien geht es auch in der Postkolonialismusdebatte, deren Entwicklungen Monica Juneja anhand eines Sammelbandes nachzeichnet und diskutiert. Dieser Band will einen Überblick über die zentralen Stationen der Diskussion geben und versammelt zentrale Aufsätze, die für eine Perspektive »Jenseits des Eurozentrismus« werben.

Einen außereuropäischen Blick eröffnet Yogini Joglekar in ihrer Filmkritik. Sie widmet sich einem Produkt der boomenden indischen Filmindustrie, für die sich inzwischen die Bezeichnung »Bollywood« eingebürgert hat. Bei »Monsoon Weddding« handelt es sich um einen Hochzeitsfilm, der sowohl in Indien, als auch im Ausland ein Publikumserfolg wurde. Die Autorin geht der Frage nach den Gründen dieses Erfolges nach und klärt über die Besonderheiten der Bollywood-Ästhetik auf.

Seit einigen Jahren widmet sich die »Gesellschaft für Stadtgeschichte und Urbanisierungsforschung« (GSU) den Entwicklungen und Veränderungen des Städtischen Raumes und des Akteuren dieser Prozesse. In diesem Zusammenschluss soll die Stadt als komplexer Ort historischer Entwicklungen über Fächergrenzen hinweg betrachtet und analysiert werden. Andreas Ludwig stellt die Organisation vor, die Forscherinnen und Forscher aus den Bereichen Architektur, Geschichte, Soziologie, Ethnologie etc. an einen Tisch bringen will, um einen vielfältigen Blick auf die urbanisierte Gesellschaft werfen zu können.

Die Redaktion