Nr. 74 | produktive imitationen | Abstract

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Kim Siebenhüner

[ DEUTSCH | ENGLISH | Kurz-Bio]

Zwischen Imitation und Innovation. Die schweizerische Indienne-Industrie im 18. Jahrhundert

Seit dem ausgehenden 17. Jahrhundert erlernten europäische Handwerker die Kunst der Kattun- oder auch Indienne-Druckerei. Dieser Lernprozess setzte einerseits auf schon bestehendes Wissen über europäische Druck- und Färbemethoden auf. Andererseits bestand die Herausforderung darin, sich Techniken indischer Textilhandwerker anzueignen, die bedruckte Baumwollstoffe seit Jahrhunderten mit großer Virtuosität herstellten. Vor dem Hintergrund jüngerer Debatten über die Geschichte der Baumwolle und die transformative Kraft asiatischer Güter für die europäischen Konsumgesellschaften analysiert der Beitrag am Beispiel der Alten Eidgenossenschaft – die zu einem der wichtigsten Standorte für die Produktion bedruckter Bauwollstoffe in Europa wurde – auf welchen Wegen Wissen über die neuen Druck- und Färbemethoden zirkulierte, inwiefern Industriespionage avant la lettre zum Problem wurde und wie das Verhältnis von Imitation und Innovation für die Indienne-Industrie des 18. Jahrhunderts zu bestimmen ist. Die schweizerische Indienne-Industrie wird als Teil einer mimetischen Ökonomie interpretiert, in der die indischen Stoffe zwar einerseits imitiert wurden, Designs und Techniken aber andererseits auf lokale Gegebenheiten angepasst wurden und die wichtigsten Impulse zur Innovation letztlich daraus resultierten, die Qualität der indischen Produkte zu erreichen.

[ ENGLISCH | DEUTSCH]

Between Imitation and Innovation: The Swiss Indienne Industry in the 18th Century

From the late 17th century, European craftsmen were learning the art of calico printing, also known as indienne. This learning process was based, on the one hand, on available knowledge about European methods of printing and colouring. On the other hand, the challenge was to adapt techniques from India, where craftsmen had produced skilfully printed cotton textiles for centuries. Based on the recent debates on the history of cotton and the transformative effect of Asian textiles for European consumer societies, the article takes the Old Swiss Confederacy (one of the most important locations for the production of printed textiles in Europe) as a case to study the circulation of knowledge about new printing and colouring methods, the problem of industrial espionage avant la lettre, and the relationship between imitation and innovation for the indienne industry of the 18th century. The Swiss indienne industry is conceived of as part of a mimetic economy, within which not only Indian textiles were imitated, but also designs and techniques adapted to local circumstances. The drive, however, to reach the quality of Indian textiles was the most important impulse for innovation.

Kurz-Bio: Kim Siebenhüner

ist Förderprofessorin des Schweizerischen Nationalfonds an der Universität Bern. Forschungsschwerpunkte: Kultur-, Sozial- und Wirtschaftsgeschichte der europäischen Frühen Neuzeit; Geschichte Indiens und des Indischen Ozeans; Globalgeschichte; Geschichte der materiellen Kultur.

E-Mail: kim.siebenhuener@hist.unibe.ch

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