Nr. 73 | reichtum | Abstract

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Eva Maria Gajek

[ DEUTSCH | ENGLISH | Kurz-Bio]

Reichtum und Reiche in der Bundesrepublik der 1960er Jahre. Eine Dialektik von Sichtbarkeit und Unsichtbarkeit

Reichtum wird bis heute unterschiedlich legitimiert und verhandelt. Deshalb ist eine Historisierung und Kontextualisierung der darüber geführten Debatten notwendig. Nach einer längeren Phase der Akzeptanz nach 1945 geriet Reichtum Mitte der 1960er Jahre zunehmend in die Kritik. Dabei wurden nicht nur die mit der Währungsreform suggerierten gleichen Startbedingungen der bundesdeutschen Gesellschaft infrage gestellt. Kirchen, Wissenschaft, Intellektuelle, Gewerkschaften, aber auch Medien und Politik diskutierten Alternativvorschläge für eine gerechtere Verteilung von Reichtum. Damit wurde Reichtum mit dem Streben nach größerer sozialer Gleichheit in der Bundesrepublik in Verbindung gebracht. Der Beitrag skizziert die Entwicklung dieser Debatten der 1960er Jahre. Der besondere Schwerpunkt liegt dabei auf der Dialektik von Sichtbarkeit und Unsichtbarkeit von Reichtum. Gajek zeigt, dass diese Dialektik nicht nur zentraler Bestandteil in den Beschreibungen, Wahrnehmungen und Inszenierungen von Reichtum war (und ist), sondern ebenfalls eine methodische Herausforderung für die Geschichtswissenschaft selbst darstellt: Reichtum ist ein Sozialphänomen, dem eine gewisse Intransparenz immanent ist – was einerseits die starke Faszination für Reichtum, andererseits den Willen oder gar das Bedürfnis erklärt, Wissen darüber zu generieren.

[ ENGLISCH | DEUTSCH]

Wealth and the Wealthy in 1960s West Germany. A Dialectic of Visibility and Invisibility

Wealth continues to be variously legitimized and dealt with to our day. These differences make it necessary to historicize and contextualize all debates about wealth. Following a long period of acceptance after 1945, wealth became the target of mounting criticism in the mid-1960s. This process went beyond merely challenging the level playing field for West German society proposed with the currency reform. Churches, scholars, intellectuals, trade unions, along with the media and politicians all put forth alternative proposals for a more just distribution of wealth. In this way, wealth was linked to the aspiration for greater social equality in the Federal Republic. The essay outlines the course of this debate in the 1960s, focusing on the dialectic of wealth’s visibility and invisibility. Gajek shows that this dialectic was (and is) a central aspect of the description, perception, and staging of wealth. Moreover, visibility/invisibility presents historians with a methodological challenge: as a social phenomenon, wealth is immanently characterized by a certain degree of non-transparency – which helps explain our intense fascination with wealth, along with the desire or even the need to generate knowledge about it.

Kurz-Bio: Eva Maria Gajek

ist wissenschaftliche Mitarbeiterin am Historischen Institut der Justus-Liebig-Universität Gießen. Sie arbeitet derzeit an einem Habilitationsprojekt zur Geschichte des Reichtums 1900–1970. Forschungsschwerpunkte: Reichtums- und Vermögensforschung, deutsch-italienische Zeitgeschichte, Mediengeschichte.

E-Mail:  M.Gajek@journalistik.geschichte.uni-giessen.de

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