Nr. 69 | anti/koloniale filme | Abstract

Zurück zum Inhalt

Christoph Kalter, Inga Kreuder, Ulrike Peters

[ DEUTSCH | ENGLISH | Kurz-Bio]

Nationale Trauer, nostalgische Ironie: Die portugiesische Dekolonisierung im Film

Der Film Tabu (2012) des portugiesischen Regisseurs Miguel Gomes erzählt eine Liebesgeschichte, die in den letzten Jahren des portugiesischen Imperiums in Afrika spielt. Die Filmkritik liebte das Werk, das zahlreiche Preise erhielt. Gomes’ Film ist ästhetisch stark, doch seine Darstellung des Kolonialismus ist problematisch. Unsere kritische Lektüre vergleicht Tabu mit dem ersten Spielfilm, der sich mit der portugiesischen Dekolonisierung befasste: João Botelhos’ Ein portugiesischer Abschied von 1986. Nach einer kurzen Interpretation beider Filme stellen wir ihre entscheidende Gemeinsamkeit heraus: Als historische Repräsentationen geben beide nur den weißen Akteuren des portugiesischen Kolonialismus eine Stimme. Die Erfahrungen der Kolonisierten werden dagegen marginalisiert. In dieser Hinsicht stehen beide Filme für die unzureichende Aufarbeitung des Kolonialismus seit der Nelkenrevolution, wie der folgende Abschnitt zur Geschichte der öffentlichen Auseinandersetzung mit diesem Thema in Portugal zeigt. Dass sich die (kinematografische) Wende zu einem kritischen postkolonialen Diskurs in Portugal dennoch bereits vollzieht, zeigen wir im letzten Abschnitt. João Vianas Film The Battle of Tabatô (2013) wählt einen anderen Zugang zur portugiesischen Geschichte in Afrika – er gibt den Erfahrungen und Erinnerungen der Guinea-BissauerInnen Raum und vermeidet eine rein Weiße Perspektive.

[ ENGLISCH | DEUTSCH]

Nationalized Mourning, Nostalgic Irony: The Portuguese Decolonization in Film

In his 2012 film Tabu, Portuguese director Miguel Gomes tells a love story set in the last years of Portugal’s African empire. His work was received enthusiastically by critics and won numerous awards. While the film certainly has strong aesthetic qualities, its representation of Portuguese colonialism is problematic. We will juxtapose a critical analysis of Tabu with the first feature film to address Portugal’s colonial wars, João Botelhos’s 1986 A Portuguese Farewell. After a short interpretation of both films, we will argue that they share one crucial similarity: As representations of the past, they lend voice only to the white Portuguese actors of colonialism. By contrast, the experiences of the colonized are only marginally accounted for. Both films thus point to a lack of critical engagement with colonialism since the Carnation Revolution of 1974, as will be shown in the following section, providing an overview of public discourse on colonialism in Portugal. Nevertheless, a (cinematic) turn to a more fully postcolonial discourse in Portugal is already underway. João Viana’s film The Battle of Tabatô (2013), discussed in the final section of this article, can be said to represent this trend. It presents an alternative approach to the Portuguese experience in Africa – one that does not use a merely white perspective, but one that also takes the memories of Bissau-Guineans into account.

Kurz-Bio: Christoph Kalter, Inga Kreuder, Ulrike Peters

Christoph Kalter
ist Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Arbeitsbereich Globalgeschichte des Friedrich-Meinecke-Instituts der Freien Universität Berlin. Er arbeitet derzeit an einem Buch über Migration und Dekolonisierung in Portugal.
E-Mail: christoph.kalter@fu-berlin.de

Inga Kreuder
ist derzeit im Vorbereitungsdienst für Integrierte Sekundarschulen und Gymnasien in Berlin. Sie hat an der Freien Universität Berlin und an der METU (Ankara, Türkei) studiert und in Silifke (Türkei) unterrichtet. An der FU Berlin hat sie ihren Master of Education (M.Ed.) in den Fächern Politik und Geschichte erworben.
E-Mail: Inga.kreuder@fu-berlin.de

Ulrike Peters
studiert im Master Geschichtswissenschaft mit Profilbereich 19. und 20. Jahrhundert an der Freien Universität Berlin. Ihre Arbeitsschwerpunkte sind Kolonialismus und Gender sowie die Verflechtungsgeschichte von Kolonialismus und Nationalsozialismus.
E-Mail: ulrikepeters@gmx.net

Zurück zum Inhalt