Nr. 66/67 | europas sklaven | Abstract

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Magnus Ressel

[ DEUTSCH | ENGLISH | Kurz-Bio]

Hamburg und die Niederelbe im atlantischen Sklavenhandel der Frühen Neuzeit

Das Diktum der weitgehenden Nicht-Beteiligung Deutschlands am atlantischen Sklavenhandel vom 16. bis ins 19. Jahrhundert ist in den letzten Jahrzehnten durch verschiedene Einzeluntersuchungen punktuell relativiert worden. In diesem Artikel werden die erzielten Ergebnisse gebündelt und in Bezug auf Hamburg als einer der bedeutenden frühneuzeitlichem Hafenstädte des Alten Reiches untersucht. Es wird gezeigt, dass bei einer Konzentration auf die „Direktbeteiligung“ ein wesentlicher Anteil von deutschen Akteuren, die immer auf die eine oder andere Weise an Hamburg gebunden waren, verborgen bleibt. Der Sklavenhandel über den Atlantik folgte primär einer ökonomischen Logik mit vielen Beteiligten auf mehreren Ebenen. Erweitert man die Perspektive und nimmt den Raum „Niederelbe“ insgesamt in den Blick, so zeigt sich die integrale Bedeutung Hamburgs für den von skandinavischen oder niederdeutschen Mächten betriebenen Sklavenhandel ab etwa 1650 und eine über die Landesgrenzen reichende Verflochtenheit der hier tätigen Akteure. So erklärt es sich, dass die sichtbare Direktbeteiligung von Hamburgern im Sklavenhandel erst einsetzte, als sich die politischen Parameter so verschoben hatten, dass es in den Jahren zwischen 1800 und 1806 kurzfristig ökonomisch lukrativ wurde, Schiffe unter Hamburger Flagge und mit Hamburger Seeleuten auf die Sklavenfahrt zu schicken. Bis in die 1840er Jahre noch war es zeitweise lohnenswert, unter der Hamburger Flagge Sklavenschmuggel zu tätigen. Erst dann wurde der Druck durch die britische Kampagne gegen den Sklavenhandel so groß, dass auch die letzten Verbindungen Hamburgs zum Sklavenschmuggel abbrachen.

[ ENGLISCH | DEUTSCH]

Hamburg and the Lower Elbe Estuary within the Atlantic Slave Trade of the Early Modern Era

The dictum of an overall non-participation of Germany in the Atlantic Slave Trade from the 16th until the 19th century has been put into perspective by different contributions in the last decades. In this article the results of the latest research are presented synoptically especially in their relation to Hamburg, the most important harbor-city of the Early Modern German Empire. It will be demonstrated that by concentrating attention on „direct participation“, an important share of German actors who were all in some ways bound to Hamburg, remains hidden. The Trans-Atlantic Slave Trade always followed an economic logic with many participants on different levels. By taking a larger perspective on the space „Lower Elbe Estuary“, one uncovers an effective imperativeness for all participants that were active in the Scandinavian and Brandenburgian slave trade to integrate Hamburg from 1650 onwards in operations that usually transcended national boundaries. By taking the perspective of the economic structures, it becomes clear why the direct participation of Hamburgers only set in from 1800-1806, i.e. at a time when the political parameters had shifted decisively that it became for a brief time economical to use Hamburg ships and crews for slave voyages. Up to the 1840s it remained at times profitable to engage in slave smuggling under the Hamburg flag. Only afterwards did the British campaign against the slave trade become so effective that the last connections of Hamburg to slave smuggling disappeared.

Kurz-Bio: Magnus Ressel

Kulturwissenschaftler und Ökonom, hat an der LMU München und der Sorbonne in Paris zu Beziehungen zwischen Nordeuropa und den Barbaresken in der Frühen Neuzeit (Zwischen Sklavenkassen und Türkenpässen, Berlin 2012) promoviert, war als Feodor-Lynen-Stipendiat an der Universität Padua und ist derzeit wissenschaftlicher Assistent am Lehrstuhl Neuere Allgemeine Geschichte von Prof. Dr. Luise Schorn-Schütte. Forschungsschwerpunkte: Wirtschaftsgeschichte, maritime Geschichte, Geschichte der Sklaverei und des Loskaufs. Derzeitiges Forschungsprojekt: Der Fondaco dei Tedeschi und das Netzwerk der Nazione Alemana im Venedig des 18. Jahrhunderts.

E-Mail: Ressel@em.uni-frankfurt.de

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