Nr. 64 | waffenschwestern | Abstract

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Dagmar Ellerbrock

[ DEUTSCH | ENGLISH | Kurz-Bio]

Warum Germania bewaffnet war und trotzdem nicht wählen durfte: Zur Geschlechter- konstruktion des politischen Waffendiskurses im 19. Jahrhundert

In den Jahren der bürgerlichen Revolution wurden in Deutschland Waffenrechte und politische Rechte fest miteinander verschweißt. Wer bereit war, sein Leben für König, Volk und Vaterland zu riskieren, sollte umgekehrt das Recht bekommen, qua Wahlrecht über das Schicksal dieser Gemeinschaft mitzuentscheiden. Gleichzeitig waren im deutschen Germanenimago der Revolutionsjahre des 19. Jahrhunderts bewaffnete und kämpfende Frauen prominent vertreten. Damit stellt sich die Frage, wieso es der streitbaren, bewaffneten Germania nicht gelang, deutschen Frauen einen Platz im Feld politischer Rechte zu erobern? Diese Frage klärt der Beitrag in drei Schritten: Erstens erläutert er, die Geschlechterkonstruktion innerhalb des Waffendiskurses der Revolutionsjahre. Dabei zeigt sich, dass die in den Revolutionsjahren neu erfundenen Waffenrechte ausschließlich männlich konnotiert waren. Zweitens wird dargelegt, dass alltägliche zivile Waffenpraktiken nicht geschlechtlich segregiert waren und Frauen wie Männer Waffen führten. Daraus folgt drittens, dass der rhetorische Ausschluss von Frauen von vermeintlich exklusiv männlichen Waffenrechten primär dazu diente, Frauen von politischen Wahlrechten auszuschließen. Diese (willkürliche rhetorische) Verknüpfung von Waffen- und Wahlrechten endete mit der deutschen Niederlage im Ersten Weltkrieg.

[ ENGLISCH | DEUTSCH]

Why Germania Was Armed, but Still Couldn‘t Vote: On the Construction of Gender and Gun Rights in the 19th Century

Why Germania Was Armed, but Still Couldn‘t Vote: On the Construction of Gender and Gun Rights in the 19th Century In the years of the bourgeois revolution in Germany, the right to bear arms and political rights – voting rights in particular – were closely related to each other. He who risked his life for King and country should conversely get the right to vote and thereby the right to decide on the fate of his country. At the same time, images of armed women were widespread and prominent in the 19th century. This raises the question of why an armed Germania did not succeed in placing women centre stage in the field of political rights. This question can be answered in three steps. Firstly, the gender bias of discourse on weapons in the revolutionary years will be analysed. It is thereby demonstrated that in the years of revolution, a newly invented tradition of weaponry rights was constructed exclusively for men. Secondly, it is argued that weapon practices in everyday life were not gender segregated. Women as well as men carried firearms. It thus follows that the rhetorical exclusion of women from supposedly exclusively male weaponry rights mainly served to exclude women from the franchise. Thirdly, it will be argued that this arbitrary and rhetorical linking of weaponry and voting rights ended with the German defeat in the First World War.

Kurz-Bio: Dagmar Ellerbrock

leitet seit 2012 den Minerva Forschungsschwerpunkt „Gefühle, Gewalt & Frieden“ am MPI für Bildungsforschung in Berlin. Sie promovierte 1999 an der Universität Bielefeld mit einer Studie zur amerikanischen Besatzungspolitik. Dort lehrte und forschte sie von 1999–2009 als wissenschaftliche Assistentin an der Fakultät für Geschichtswissenschaft und habilitierte 2011 mit einer Arbeit zur Geschichte der deutschen Waffenkultur.

E-Mail: ellerbrock@mpib-berlin.mpg.de

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