Nr. 58 | wissen und wirtschaften | Abstract

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Christof Dejung

[ DEUTSCH | ENGLISH | Kurz-Bio]

Spielhöllen des Kapitalismus? Terminbörsen, Spekulationsdiskurse und die Übersetzung von Rohstoffen im modernen Warenhandel

Der Beitrag zeigt, wie das Aufkommen der Telegraphie zu einer Umdeutung der Waren führte, die an den Rohstoffbörsen gehandelt wurden. Erst durch derartige Übersetzungsprozesse konnte mit dem Terminhandel ein Wirtschaftssystem zweiter Ordnung entstehen, welches parallel zum effektiven Handel funktionierte und sich einzig und allein an der Entwicklung von Preisen orientierte. Die angebliche Fiktionalität des Terminhandels löste erbitterte Debatten über die Legitimität der „Börsenspiele“ aus. Die Behauptung, dass sich mit dem Terminhandel ein Wirtschaftssegment herausgebildet habe, welches vollständig abgekoppelt von der Realwirtschaft funktioniert, muss allerdings relativiert werden, da die beiden Wirtschaftssysteme weiterhin eng miteinander verbunden waren. Daraus folgt nicht zuletzt, dass die Frage, was „die Wirtschaft“ sei, weit schwieriger zu beantworten ist, als man aufgrund des scheinbaren Deutungsmonopols der Wirtschaftswissenschaften vermuten könnte. Wo die Grenzen des ökonomischen Feldes liegen und welche in ihm getätigten Transaktionen als legitim anzusehen sind, kann nicht eindeutig bestimmt werden und ist stets Gegenstand der gesellschaftlichen Auseinandersetzung.

[ ENGLISCH | DEUTSCH]

Gambling houses of capitalism? Future markets, discourses on speculation and the translation of commodities in global trade

This contribution argues that the establishment of telegraph lines resulted in a reframing of commodities in global trade. These processes of translation allowed the emergence of future markets as a new economic system of second order that operated parallel to effective commodity trade. Since futures trading intended not the actual delivery of commodities and did not refer to their specific features but first and foremost to price movements its operations were seen as fictional by many observers. The alleged fictionality of future trading initiated intense debates about the legitimacy of this line of business. Yet, the claim that future markets were completely disconnected from the real economy has to be put into perspective since these two economic systems remained closely interlinked. The findings give evidence to the fact that to specify what „the economy“ is, is much harder a task than we might think in the face of the epistemic predominance of economic theory. The borders of the social field of the economy and the decision which transactions within it can be seen as legitimate can not be defined in a concluding manner and are always the result of political debates.

Kurz-Bio: Christof Dejung

Privatdozent an der Universität Konstanz. Seine Forschungsschwerpunkte liegen im Bereich der Globalgeschichte, der Wirtschaftsgeschichte, der europäischen Sozial- und Kulturgeschichte sowie der Theorie und Methodologie der Geschichtswissenschaft. Zahlreiche Veröffentlichungen zu den sozial- und kulturhistorischen Grundlagen des Welthandels im Zeitalter des Kolonialismus. Zurzeit bereitet er ein Forschungsprojekt zur Bedeutung der kolonialen Welt für die bürgerliche Kultur Europas im späten 19. und frühen 20. Jahrhunderts vor.
E-Mail: christof.dejung@uni-konstanz.de

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