Nr. 51 | bastarde | Abstract

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Karin Gottschalk

[ DEUTSCH | ENGLISH | Kurz-Bio]

Niemandes Kind? Illegitimität, Blutsverwandtschaft und Zugehörigkeit im vormodernen Recht

Bis 1970 waren nichteheliche Kinder in Deutschland rechtlich benachteiligt und galten als nicht verwandt mit ihrem Vater. Ihre Illegitimität markierte einen prekären Status zwischen Blutsverwandtschaft und rechtlicher Zugehörigkeit, der seine Brisanz unter anderem daraus bezog, dass es dabei – vermittelt über das Erbrecht – auch um die Eigentumsordnung ging. Der Umgang mit dem »Bastard« war keineswegs statisch, vielmehr war dies ein Schauplatz, auf dem die Konstruktion von Blutsverwandtschaft und Zugehörigkeit verhandelt wurde. »Bastarde« sind deshalb besonders gut geeignet, die sehr spezifischen kulturellen Konstruktionsleistungen sichtbar zu machen, als die sich »Verwandtschaft« im historischen Wandel entpuppt. Verfolgt man bestimmte Aspekte von Illegitimität – dem Verhältnis von Illegitimität und Adoption, Vaterschaft und Mutterschaft sowie Unterhalt und Erbe – vom Spätmittelalter über den Umbruch um 1800 bis zur Gegenwart und fragt, welche Rolle dabei »natürliche Verwandtschaft« im Sinne einer Abstammungs- oder Blutsverwandtschaft spielte, werden bisherige Narrative mindestens ergänzungsbedürftig: Statt eines sukzessiven Rückgangs blutsverwandtschaftlicher Orientierung in der Moderne gewinnen Zeugung und Abstammung an Relevanz.

[ ENGLISCH | DEUTSCH]

Nobody’s Child? Illegitimacy, Blood Relationship and Affiliation in Premodern Law

Until 1970 illegitimate children were legally disadvantaged in Germany and considered as not being related to their fathers. Their illegitimacy marked a precarious status between blood relationship and legal affiliation that owed its explosive potential to the association with the property regime (via inheritance). The legal treatment of bastards was anything but static – rather, it was a topic where constructions of blood relationship and affiliation were negotiated. Thus, bastards are particularly suitable for making visible the cultural construction of kinship. Tracing significant aspects of illegitimacy – such as the relations between illegitimacy and adoption, paternity and maternity, alimony and inheritance – from the late Middle Ages to the present and focusing on the role »natural relationship« played, it turns out that previous narratives require at least elaboration: Instead of a steady decline of blood relationship in the course of modernity begetting and descent gained in importance.

Kurz-Bio: Karin Gottschalk

Historikerin, wiss. Mitarbeiterin am Historischen Seminar der Goethe-Universität Frankfurt a.M., geschäftsführende Leiterin des Projekts „Verwandtschaft in der Vormoderne. Institutionen und Denkformen intergenerationeller Übertragung“
E-Mail: k.gottschalkatem.uni-frankfurt.de

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