Nr. 45 | globale waren | Abstract

Zurück zum Inhalt

Tino Jacobs und Sandra Schürmann

[ DEUTSCH | ENGLISH | Kurz-Bio]

Rauchsignale: Struktureller Wandel und visuelle Strategien auf dem deutschen Zigarettenmarkt im 20. Jahrhundert

Durch Migration von ausländischen Fabrikanten und Konsumenten bildete sich Ende des 19. Jahrhunderts ein Zigarettenmarkt in Deutschland heraus, der von Anfang an regional stark zersplittert war. Der Wandel der Orientzigarette vom gesellschaftlichen Nischenphänomen zum Massenkonsumgut leistete dabei dem Entstehen eines exotistischen Kosmos von Orient-Werbebildern Vorschub, der die Produktkommunikation über Jahrzehnte prägen sollte. Die Pluralisierung der visuellen Strategien fiel dann Anfang des 20. Jahrhunderts zusammen mit Tendenzen, die Zigarettenwerbung nationalistisch aufzuladen – ein Abwehrreflex gegen die Übernahme des Jasmatzi-Konzerns durch die British American Tobacco Company, der sich 1914 nahtlos in die Kriegspropaganda einfügte. Vor dem Hintergrund eines spezifischen Geflechts aus transnationalen Beziehungen, regionalen Besonderheiten und unternehmerischem Eigensinn – etwa in Form der »Markentechnik«-Strategie des Marktführers Reemtsma – spiegelten sich die Umbrüche der Branche aber nicht unmittelbar in den Bilderwelten der Werbung wider; vielmehr stellte der deutsche Zigarettenmarkt eine Arena komplexer Aneignungs- und Anpassungsprozesse dar. So verlief auch die Ablösung der Orientzigarette durch den American-Blend-Typus nach dem Zweiten Weltkrieg nicht schnell und reibungslos, sondern erforderte eine behutsame Umkodierung des Produkts, bei der zunächst weniger Amerika-Bezüge hergestellt als vielmehr bundesbürgerliche Wirtschaftswunder-Topoi bedient wurden.

[ ENGLISCH | DEUTSCH]

Signals of Smoke: Structural Changes und Visual Strategies of the German Cigarette Market in the 20th century

The German cigarette market in the 20th century proved to be an arena in which the identity and image of the product were constantly negotiated and redefined on the basis of transnational cultural and business relations. Initially, the introduction of the ‘Oriental cigarette’ by manufacturers who had immigrated from Greece, the Ottoman Empire or Egypt gave rise to the proliferation of an exoticist advertising imagery that prevailed for decades. When the industry’s visual marketing strategies became more diverse, the anti-trust battle with the Jasmatzi group (controlled by British American Tobacco) and the First World War encouraged product campaigns that took on nationalist tones. While the transnational influences that had helped shape the structure of the German cigarette market in the first place continued to play a significant role in the inter-war period, the ‘Markentechnik’ strategy of quasi-monopolist Reemtsma and the strength of regional folk traditions had no less impact on the spectrum of brands and advertising images. The switch from Oriental-type tobacco to American Blend cigarettes after the Second World War showed how easily the product’s image could be reencoded, but the gradual ‘Americanization of taste’ did not correlate with an immediate ‘Americanization of imagery’. The German cigarette market kept up its specific heterogeneous profile of coexisting visual traditions and strategies well into the 70s when it became a forum of more global visual approaches to German smokers.

Kurz-Bio: Tino Jacobs und Sandra Schürmann

Tino Jacobs:
Historiker, promoviert an der Forschungsstelle für Zeitgeschichte in Hamburg mit dem Projekt »Rauch und Macht. Die Firma Reemtsma 1920-1961«.
E-mail: tinojacobs@yahoo.de

Sandra Schürmann:
Historikerin, Lehrbeauftragte an der Universität Lüneburg, Arbeitsschwerpunkte Urbanisierungs- und Kulturgeschichte des 20. Jahrhunderts, bearbeitet am Museum der Arbeit in Hamburg das Projekt „Unternehmenskommunikation der Reemtsma Cigarettenfabriken zwischen 1920 und 1960“.
E-mail: schuermann.sandra@web.de

Zurück zum Inhalt