Nr. 36 | tourismus | Abstract

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Nils Römer

[ DEUTSCH | ENGLISH | Kurz-Bio]

Die touristische Konstruktion jüdischer Vergangenheiten in Worms

Der Aufsatz untersucht die Konstruktion jüdischer Erinnerungsorte und Reisekulturen in Worms während der Nachkriegszeit. Angesichts der großen Aufmerksamkeit, die die vollkommen zerstörte Synagoge auf sich zog, machte sich die Stadt am Ende der 50er Jahre an den Wiederaufbau einer der ältesten Synagogen in Deutschland. Dieser Neubau sollte die Stätte, die an Zerstörung und Gewalt gemahnte, in einen jüdischen Erinnerungsort verwandeln. Die Restaurierung dieser Erinnerungslandschaft diente jedoch nicht nur der lokalen Bemühungen, die Erinnerung an den Nazismus zu überwinden; sie trug darüber hinaus zur ansteigenden Beliebtheit von Worms als Reiseziel bei. Stadtplanung und Tourismus beeinflussten sich gegenseitig in diesem Prozess und gestalten gemeinsam den lokalen Raum der Stadt. Die jüdischen Erinnerungsorte sind von daher auch nicht auf lokale und nationale Erinnerungspolitik reduzierbar. Der Friedhof, die Synagoge und das Museum fungieren dabei nicht als verortete Erinnerung, sondern Erinnerung entsteht aus dem Mit- und Gegeneinander von Einheimischen, kurzfristigen Heimkehrern und Touristen, die diese Orte mit divergierenden Bedeutungen besetzten. Vor diesem Hintergrund erscheinen letztlich die historischen Orte als transnationale Erinnerungsstätten.

[ ENGLISCH | DEUTSCH]

The Creation of Jewish Memory Spaces and Destination Cultures in Worms

This essay analyses the creation of Jewish memory spaces and destination cultures in Worms during the post-war period. Spurred on by the interaction with Jewish visitors, the city began rebuilding the entirely destroyed synagogue during the late 1950s. For Worms, the reconstruction of one of the oldest synagogues in Germany represented an attempt to substitute a site of destruction and marker of violence with a place of Jewish memory. Yet the restoration of this memory landscape served not only local attempts to overcome the memory of the Nazi past, but also contributed to Worms.s increasing attractiveness amongst Jewish tourists. City planning and tourism interacted in numerous ways and together shaped the local space of Worms. The memory of these sites, therefore, is not limited to local or national politics of memory. At the same time, the synagogue, Holy Sand cemetery, and the museum are not simply depositories of memory but remembrance emerges out of the contacts and interplay between locals and visitors, who invested these sites with their different, and often conflicting, sets of meaning. Thus the article suggests viewing Worms.s Jewish historical sites as fluid and contested trans-national realms of memory.

Kurz-Bio: Nils Römer

Historiker, promovierte an der Columbia University New York, lehrt jüdische Geschichte an der Southampton University.
E-Mail: n.roemer@soton.ac.uk

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